Luigi Cherubini

Requiem in c-Moll

Orchestra Stabile e Coro dell’Accademia Nazionale de Santa Cecilia, Ltg. Carl Maria Giulini

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler PH16056
erschienen in: das Orchester 06/2017 , Seite 65

Neben groß angelegten Zyklen mit der Staatskapelle Dresden oder der Günter-Wand-Edition veröffentlicht das Label Profil/Edition Günter Hänssler auch aufwendig rekonstruierte Aufnahmen der Vergangenheit. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, wann man in diesem Kontext auf Giulinis Einspielung von Cherubinis Requiem c-Moll für Columbia Records aus dem Jahr 1952 stoßen würde.
Die Konstellation des Entstehungsdatums allein ist verführerisch: Die Position des Chefdirigenten für das italienische Spitzenorchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia war nach dem Ende des Faschismus von 1945 bis 1953 unbesetzt, als der damals knapp 40-jährige Carlo Maria Giulini (1914-2005) in Rom für die Aufnahme auf das Podium trat. In diesen Jahren widmete er sich vorrangig dem neu gegründeten RAI-Rundfunkorchester und gab 1952 sein Debüt an der Mailänder Scala, wo er von 1953 bis 1956 Nachfolger Victor de Sabatas war. Legendär bis heute ist Giulinis Entscheidung, sich bis ins fortgeschrittene Alter dem Musiktheater zu verweigern und ausschließlich dem Konzertrepertoire zu widmen. Als Bratscher hatte er in italienischen Orchestern unter Richard Strauss, Wilhelm Furtwängler, Bruno Walter, Otto Klemperer und Igor Strawinsky gespielt. Das prägte ihn, und so wurde Giulini einer der ersten Dirigenten, die in Italien eine Lanze für die dort lange Zeit weit unter der Oper rangierende Sinfonik brachen.
Von einer Annäherung an eine historisch informierte Aufführungspraxis für Werke Luigi Cherubinis (1760-1842) war man 1952 nicht nur in Italien noch weit entfernt, eine vertiefte Auseinandersetzung mit dessen Œuvre begann erst ein Jahr später anhand der eigentlich entstellenden Medea-Bearbeitung von Car­lo Zangarini nach Franz Lachner für die Aufführung beim Maggio Musicale Florenz mit Maria Callas.
Dafür zeichnet das Dirigat Giulinis mit der Einstudierung des Chors durch Bonaventura Somma ein überzeitlicher Gestaltungswille aus. Immer wieder sagt man diesem Werk ohne Solistenparts eine starke Identifizierung des Komponisten mit dem Anlass nach: Als „Surintendant“ der französischen Hofmusik komponierte Cherubini das c-Moll-Requiem anlässlich des 25. Jahrestags der Hinrichtung von Ludwig XVI. als überzeugter Katholik mit wahrer innerer Anteilnahme.
Auch verstärkt durch das transparente Klangbild mit geringer Nachhallzeit zeigt die Aufnahme bereits die bis heute exemplarischen Vorzüge von Giulinis Entwicklung, mit denen er noch mehr eher zum kongenialen Brahms- als Verdi-Interpreten wurde. Das souverän und mit echt glaubwürdiger Versenkung spielende Accademia-Orchester rückt diese Einspielung im Vergleich mit den Konkurrenz-Aufnahmen in die oberste Kategorie.
Da ist nur eines schade: Das Booklet gewährt keinerlei Informationen über Positionen zum Komponisten und das Profil der Interpreten, ebenso wenig zum Stand der Forschung und Auseinandersetzung mit dem Werk. Das sollte man eigentlich bei einem Label Profil/ Edition Günter Hänssler als selbstverständlich voraussetzen.
Roland H. Dippel