Wolfgang Amadeus Mozart

Requiem d-Moll

In der Bearbeitung von Heinrich Ritter von Spengel für Solostimmen, Chor, Streicher und Orgel (1852), hg. von Johannes Schachtner, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Laurentius-Verlag
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 65

An Notenausgaben von Mozarts Requiem herrscht heutzutage kein Mangel, und selbst Ausgaben aus dem späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert sind leicht zugänglich. Nun erfolgte also eine Neuausgabe jener 1852 in Augsburg bei der B. Schmid’schen Buchhandlung veröffentlichten Fassung für Soli, Chor, Streicher und Orgel von Heinrich Ritter von Spengel. Die Edition bietet neben dem lateinischen Text auch die schon in der Erstausgabe von 1800 veröffentlichte deutschsprachige Textunterlegung. Die Spengel’sche Bearbeitung hatte das Ziel, auch kleineren Kirchenchören mit beschränkterem Instrumentarium die Aufführung des Werks zu ermöglichen.
Der Notentext der Neuausgabe ist mit beachtlicher Sorgfalt ediert, leider aber ohne Kritischen Apparat und ohne Hinweis auf die gegebenenfalls erforderlich gewesenen Herausgebereingriffe; man muss nach Kleinstich und gestrichelten Bindebögen als Herausgeberergänzungen suchen, ohne auf besondere Problemstellen hingewiesen zu werden.
Weniger Sorgfalt wurde jedoch sichtlich auf die Textunterlegung gelegt. In der Schmid’schen Erstausgabe fehlen fast alle Satzzeichen, doch Johannes Schachtner folgt nicht etwa diesem Quellenbefund und auch nicht der Erstausgabe von 1800, sondern setzt zumeist Kommata, keineswegs immer in rechtem Bezug zur Textbedeutung; auch fehlen auf der Ebene des deutschen Gesangstextes gelegentlich Buchstaben, und die Textierung ist im Verhältnis zur Musik teilweise etwas zu gedrängt. Notenabweichungen aufgrund der deutschen Textierung sind hier nicht wie in den Editionen von 1800 und 1852 in Kleinstich ausgeführt, sondern nur durch umgekehrte Halsung markiert.
Am problematischsten ist das Vorwort, das nicht nur allzu knapp daherkommt (über die Art der Zusammenfassung des Orchesterparts durch Spengel erfährt man fast nichts, auch nicht über gegebenenfalls auftauchende Fragen in der klanglichen Balance in dessen Folge), sondern vor allem in einer merkwürdig verstümmelten, teilweise bis zur Unkenntlichkeit verkürzten Textfassung bereitgestellt ist, die dringend einer Überarbeitung bedürfte.
Da die Partitur in Spiralbindung geheftet ist, sollten der Austausch des Vorworts und auch die Korrektur der Faksimilia kein größeres technisches Problem darstellen; bietet die Doppelseite mit vier (in schlechter Qualität) faksimilierten Seiten aus der Ausgabe 1852 doch nicht nur das Titelblatt und die ersten beiden Seiten des Notentextes, sondern (ohne dies sinnvoll zu erläutern) auch ein Werbeblatt (auf Oktober 1851 datiert), das of-fensichtlich bei der Subskription der Ausgabe 1852 als Hilfe zur Ermittlung der erforderlichen Auflagenhöhe gedacht war und das im Internetexemplar der Partitur an eben jener Stelle zu finden ist wie in der vorliegenden Edition.
Jürgen Schaarwächter