Anton Bruckner

Requiem d-Moll

WAB 39, hg. von Anselm Eber, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 60

Blickt man auf das kirchenmusikalische Schaffen Anton Bruckners, so finden sich im Werkverzeichnis nicht nur das berühmte Te Deum und die drei großen Messen, sondern auch weitere liturgisch gebundene Kirchenmusik sowie geistliche, meist mehrstimmige Gesänge, die im Bewusstsein der Musikwelt nicht so ganz präsent sind.
Auch das von Anselm Eber beim Stuttgarter Verlag Carus als Urtext herausgegebene Requiem d-Moll WAB 39 ist eher unbekannterer Natur, zumal davon auch nur relativ wenige Aufnahmen existieren. Darüber hinaus vertonte Bruckner den Text noch zweimal: eines blieb eine 18-taktige Fragment-Skizze WAB 141, das andere für vierstimmigen Männerchor und Orgel WAB 133 aus dem Jahre 1845 gilt als verschollen. Entstanden ist es 1848/49 auf den unerwarteten Tod des Gerichtsaktuars und Hofschreibers im Stift St. Florian, Franz Sailer, einem Freund und Förderer Bruckners. Sailer hatte ihm einen wertvollen Bösendorfer-Flügel vermacht, worauf Bruckner ihm aus Dankbarkeit das Requiem widmete, das zum ersten Jahrestag seines Todes ebendort im Stift uraufgeführt wurde.
Bruckner komponierte das Requiem, das als sein erstes großes Werk für Chor und Orchester gilt, noch während des Studiums bei Simon Sechter. Es setzt sich mit der Tradition und den kirchenmusikalischen Topoi auseinander, insbesondere mit den beiden Requiem-Vertonungen von Michael Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Die Bläserbesetzung ist jedoch mit drei Posaunen und einem nur im Benedictus vorgeschriebenen und im Werkverzeichnis Bruckners nicht verzeichneten Horn in B sowie Streicher und Orgel nicht gerade alltäglich. Und wie bei den meisten der elf Sinfonien Bruckners überarbeitete er auch einige seiner kirchenmusikalischen Werke wie eben das Requiem ebenfalls in späteren Jahren. Bereits 1892 oder doch erst zwei Jahre später – da ist sich die Bruckner-Forschung noch uneins – überarbeitete er das Requiem, über das er sich lapidar mit „Es is net schlecht“ geäußert haben soll. Mit einigen Korrekturen in der Violinstimme und wenigen in den Sing- und Posaunenstimmen greife Bruckner „markant“, so der Herausgeber Anselm Eber im zweisprachigen Vorwort, „in die Harmonik ein.“
Durchgesetzt habe sich die von Bruckner 1894 autorisierte und erstmals 1930 publizierte Spätfassung, die nun auch in der Carus-Ausgabe wiedergegeben ist, während die Urtextfassung unveröffentlicht blieb. Außerdem stützt sich die vorliegende Ausgabe auf die reinschriftliche Partitur von 1849, die Bruckner für seine spätere Revision benutzte, worauf sich ebenso die nachfolgenden dreieinhalb Seiten Einzelanmerkungen beziehen. Herausgeberanteile wie fehlende Crescendi und Legatobögen sind nach guter Carus-Manier gestrichelt, dynamische Zeichen klein, andere Zusätze kursiv angegeben. Das Druckbild der Partitur ist sehr gut leserlich und entspricht den heutigen, hohen Anforderungen der Musizierenden mit Generalbassnotation in der Orgel und Verweisen auf den Kritischen Bericht.
Werner Bodendorff