Teodulo Mabellini
Requiem
c-Moll mit Libera me, Domine in f-Moll für Solostimmen, Chor und großes Orchester, Erstausgabe
Der heute fast vergessene Teodulo Mabellini (1817–1897) fand vor etwa vierzig Jahren eher zufällige Beachtung, als das Notenmaterial der Messa per Rossini wiederentdeckt und aufgeführt wurde, eine von Verdi initiierte Gemeinschaftskomposition von 13 italienischen Komponisten, die zum ersten Todestag Rossinis im November 1869 aufgeführt werden sollte, was dann aber nicht zustande kam. Mabellinis Beitrag hierzu war das Lux aeterna. Eine seiner frühen erfolgreichen Opern war Rolla, über deren Melodien Carl Czerny eine Fantasie verfasste.
1848 wurde Mabellini Hofkapellmeister, dann auch Operndirigent in Florenz, wo er für seine Aufführungen der Wiener Klassiker große Anerkennung fand. Neben einigen weiteren Opern komponierte er vor allem Kirchenmusik. Die Uraufführung seines Requiems fand im März 1851 in Anwesenheit von Rossini statt, der im Anschluss zu Mabellini gesagt haben soll, dieses Werk sei für Italien das, was Mozarts Requiem für Deutschland sei. Der Kritiker Fétis stellte fest, Mabellini sei einer der wenigen italienischen Meister, die noch die guten Traditionen bewahren, eine „musique sérieuse“ zu schreiben. Damit ist ein wesentliches Charakteristikum seiner Musik angedeutet, nämlich die Vorliebe für den Kontrapunkt, den er, anders als die meisten seiner Landsleute, wie eine „Muttersprache“ beherrschte, und den er in eine meisterhafte Instrumentation kleidete, die niemals die Transparenz gefährdet.
Das 1856 komponierte Libera me, ein Satz ohne eigenständige liturgische Funktion, ist trotz der größeren Besetzung ein optionaler Anhang zum Requiem. Vier konzertierende Männerstimmen, eine solistische Bassklarinette, je zwei zusätzliche Fagotte und Trompeten, ein Tamtam sowie vielfach geteilte Streicher bilden einen deutlichen klanglichen Kontrast zum Requiem. Die Soli für Sopran und Alt sind wenig exponiert, weil bei einer kirchlichen Aufführung nur Knabenstimmen eingesetzt werden durften. 1879/80 komponierte Mabellini je eine alternative Arie für Sopran und Mezzosopran nach, die „in occasione di Concerto“ einzusetzen sind. Die Neuveröffentlichung dieser Arien ist vom gleichen Verlag angekündigt.
Die vorliegende Neuausgabe greift auf das Autograf zurück, wobei die Partiturdisposition und die Schlüssel den heutigen Gepflogenheiten angepasst sind. Der im Erstdruck unterlegte Orgelauszug ist weggelassen. Die zahlreichen Diskrepanzen zwischen Autograf und Erstdruck sind im umfangreichen Kritischen Bericht dokumentiert. Ein geradezu ausufernder Beitrag zu Leben und Werk des Komponisten findet sich im Nachwort, das mit einer Überfülle von Fakten den Blick auf das Wesentliche verliert. Der computergenerierte Notensatz mit seinen eng rastrierten Zeilen bei gleichzeitig großem Zwischenraum macht das Partiturlesen sehr mühsam. Wenn das Stimmenmaterial und der Klavierauszug verfügbar sein werden, ist ein lohnendes Werk wiederzuentdecken.
Jürgen Hinz