Reconstructing Debussy

Marc Romboy, Dortmunder Philharmoniker, Ltg. Ingo-Martin Stadtmüller

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hyperharmonic
erschienen in: das Orchester 10/2017 , Seite 70

In ihrer vor vier Jahren begonnenen Konzertreihe für ein junges Publikum unter dem Motto „Groove Symphony“ haben die Dortmunder Symphoniker 2016 zwei Werke Claude Debussys bei einer Aufführung unter dem Dirigenten Ingo-Martin Stadtmüller unmittelbar mit Liveelektronik bearbeiten lassen, das heißt: in der Regie des Musikproduzenten, Labelchefs und DJs Marc Romboy einem Remix unterzogen. Arrangiert wurde das Orchester dafür von dem Geiger und HipHop-Produzenten Miki Kekenj, außerdem war der Keyboarder Ali Khalaj dabei. Der Mitschnitt ist jetzt erschienen unter dem Titel Reconstructing Debussy.
Die Dortmunder schließen sich damit einem internationalen Trend an. Zum Beispiel hat das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin 2013 einen Remix-Wettbewerb zu Anton Dvoráks Aus der Neuen Welt durchgeführt. Der Komponist Steve Pycroft aus Manchester komponierte 2012 eine Suite für ein sog. Kaleidoscope Orchestra, und sein Landsmann Matthew Herbert schuf 2010 einen auf einer CD der Deutschen Grammophon herausgebrachten Remix von Gustav Mahlers Adagio aus dem Fragment der Sinfonie Nr.10. Bei ihrem Einsatz von Elektronik stehen all diese Experimentatoren auf den Schultern von Pierre Boulez mit dessen Répons von 1981 und Christóbal Halffter mit Planto por las victimas de la violenca, dies schon 1971 in Donaueschingen uraufgeführt. Die Nachfolge ist indes durchaus legitim. Nach etwa acht Minuten steigen in Miki Kekenjs auf dem originalen Anfang von Debussys Prélude dà l’après midi d’un faune basierenden Arrangement – von Stadtmüller sensibel dirigiert – Romboy und Khalaj ein mit einem langsamen Drum-and-Bass-Beat.
Es folgen elektronische Einzelsignale, die sich zu einem ostinatoartigen Groove von gleichsam gläsern-synthesizerhaftem Klang über dem Orchester verdichten. Die Musik nimmt bei Rückgriffen auf die Debussy-Motivik eine gleichzeitig tänzerische und meditative Aura an, wird später von einem tief raunenden und schlingernden Brummton überlagert. Das Ganze verebbt nach 17:32 Minuten, und das ist einiges mehr als die rund zehn Minuten bei einer normalen Einspielung des Stücks.
Bei „De l’aube à midi sur la mer“ aus La mer beginnen die beiden Elektroniker mit dumpfem, sich dann wandelndem Dröhnen der Elektronik und einem schneller rollenden Beat. Nach rund drei Minuten wird die Elektronik zurückgefahren und das Orchester beginnt mit der originalen Partitur. Einige Minuten später kommt das Duo mit einem dunklen Orgelton zurück und steigert sich zu einer wuchtigen Aktion mit dem Orchester, bevor das Stück leise elektronisch nach fast 12 Minuten verklingt, rund fünf Minuten mehr, als das Original hat! Die beiden anderen Sätze des Werks werden sogar noch stärker ausgedehnt.
Nun, das war im Konzert sicher spannend, wie man heute schlagworthaft sagt. Doch braucht Debussys tonmalerische, die Imagination anregende Musik diesen Zusatz? Ist das nicht sogar zu viel oder nur störend? Gerade für ein junges Publikum, das Debussy vielleicht zum ersten Mal hört…
Günter Buhles

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