Claude Debussy, Michel van der Aa, George Crumb und anderen

Reconnect – Nature and the modern man

Joséphine Olech (Flöte), Anaïs Gaudemard (Harfe), Clément Peigné (Violoncello), Sélim Mazari (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Es-Dur
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 89

Natur und Umwelt als Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten, das ist derzeit wohl notwendiger als je zuvor. Die junge französische Flötistin Joséphine Olech nutzte deshalb die Gelegenheit, ein musikalisches Konzept zu den „komplexen Beziehungen zwischen dem modernen Menschen und der Natur“ zu entwerfen. In diesem Sinn ist auch die Musikauswahl für ihre neue CD zu verstehen. Ermöglicht wurde deren Produktion durch den der Flötistin 2020 für ihre Musikalität und selbstverständliche Virtuosität zugesprochenen Fanny Mendelssohn Förderpreis.

Der Booklet-Text beschreibt ausführlich und fesselnd die inhaltlichen Zusammenhänge der Musikauswahl. Sie ist drei Themenbereichen zugeordnet, die jeweils zwei Werke enthalten. In „ Klänge der Natur“ gibt es zuerst Toward the Sea von Tōru Takemitsu in der Fassung für Altflöte und Harfe. Die drei Sätze „Nacht“, „Moby Dick“ und „Cape Cod“ sprechen musikalisch für die positive Verbindung von Mensch und Natur, das thematische Material ist übrigens mit ES-E-A aus dem Titel gewonnen. Das zweite Werk, Vox Balaenae mit dem Zusatz „for three masked players“ von George Crumb, hat die Besetzung Flöte, Violoncello und Klavier, die elektronische Verstärkung versteht sich als wesentliches Element der Klangfarben. Eine Vocalise for the beginning of time zu Beginn und ein Sea nocturne am Ende umrahmen sechs die Erdzeitalter anzeigende Sätze, in deren Verlauf der Mensch erst spät, aber dann umso wirkungsvoller negativ in Erscheinung tritt.

Unter „Moderne und Technologie“ gibt es zwei Kompositionen für Soloflöte und Zuspielung: Vernon Counterpoint („flute and tape“) von Steve Reich, in dessen Verlauf die Solistin verschiedene Flötentypen zu spielen hat, ein kontrapunktisch angelegtes Stück, und, als Ersteinspielung, Rekindle („flute and soundtrack“) von Michel van der Aa, einem niederländischen Komponisten.

Im dritten Themenbereich geht es um die spirituelle Dimension, sie bildet den Rahmen des Programms. Am Anfang stehen die Six Épigraphes Antiques von Claude Debussy in der Einrichtung für Flöte und Klavier. Gleich die erste, Pour invoquer Pan, stellt die Verbindung zur Flöte her. Ursprünglich war das als Bühnenmusik konzipiert, ebenso wie Erik Saties hier für Flöte und Harfe eingerichtetes Prélude zum 1. Akt von Le fils des étoiles, einem frühen, mit Quartschichtungen der Moderne vorgreifenden Stück, das in der Adaptation von Takemitsu treffend als Méditation bezeichnet ist.

In diesem stimmigen und zum Nachdenken anregendem Konzept lässt auch die musikalische Realisierung keine Wünsche offen. Ohne die Musik instrumentalisieren zu wollen, verbinden sich in den Interpretationen des Ensembles Lebendigkeit, Natürlichkeit und spielerische Perfektion. Und ganz nebenbei zeigt die Musikauswahl, wie sehr die Komponisten des 20. Jahrhunderts das Spektrum ihrer musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten verändert und erweitert haben.

Ursula Pešek