Schmidt, Thomas (Hg.)

Recherchen in einem Theaterland

Die sechzehn Theater- und Orchestersysteme in Deutschland im Vergleich

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ConBrio, Regensburg 2013
erschienen in: das Orchester 04/2014 , Seite 66

Der Grundansatz des Buchs ist ausgesprochen löblich: Aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands gibt es eigentlich nicht die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft. Vielmehr existieren – historisch gewachsen und zuletzt mit der deutschen Wiedervereinigung neu sortiert – 16 sehr heterogene Theater- und Orchesterlandschaften. Wer hier den Überblick behalten will, muss also differenzieren und sich die jeweilige Lage in den einzelnen Bundesländern genauer ansehen. Das Buch dokumentiert ein Forschungsprojekt des Masterstudiengangs „Theater- und Orchestermanagement“ der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. In 16 Essays widmen sich (ausschließlich) Studentinnen des Studiengangs jeweils einem Bundesland und dessen Theater- und Orchesterlandschaft.
Hilfreich sind die in jedem Beitrag enthaltenen Übersichtstabellen zu den wesentlichen Strukturdaten der einzelnen Bundesländer: Bevölkerungszahl, Bruttoinlandsprodukt, Landeshaushalt, Arbeitslosenquote, Altersdurchschnitt etc. (Stand 2010). Ebenfalls in fast jedem Beitrag ist eine Übersicht über die Theater bzw. Orchester eines Bundeslands beigefügt. Diese Tabellen sind aber mit Vorsicht zu genießen und zeigen ein altes Dilemma auf: dass es nämlich schwierig ist, valide Zahlen zu Eigeneinnahmen, Zuschuss pro Besucher/Karte etc. zu ermitteln. Für Bayern und Baden-Württemberg sind z.B. eigene Orchesterübersichten enthalten, die die Anzahl der Musiker ausweisen, tatsächlich aber Planstellen meinen. Teilweise werden Projektorchester und Rundfunkorchester aufgeführt, teilweise nicht. Die Landesorchester in Nordrhein-Westfalen fallen komplett unter den Tisch.
So unterschiedlich die Autorinnen schreiben, so unterschiedlich sind Qualität und Umfang der Beiträge. Petra Brauns Essay zu Nordrhein-Westfalen umfasst gerade einmal 13 Seiten und ist viel zu deskriptiv gehalten. Das sehr viel kleinere Saarland ist demgegenüber auf 14 Seiten dargestellt. Sehr gut gelungen, in die Tiefe gehend und analytisch sind die Beiträge von Julia Sinnhöfer zu den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.
Ärgerlich sind die leider sehr zahlreichen kleinen sachlichen Fehler. Die Hamburger Symphoniker werden z.B. einer städtischen Trägerschaft zugeordnet, obwohl sie als Verein organisiert sind; das Staatstheater Oldenburg wird zum „kleinsten Staatstheater Deutschlands“, obwohl es z.B. in Meiningen ein kleineres Haus gibt. Hier hätte man vom Herausgeber und betreuenden Professor Thomas Schmidt ein gründlicheres Lektorat erwarten können. Auch Schmidts einleitender Beitrag ist eigentlich deplatziert: Er schreibt das, was er auch andernorts schon publiziert hat (Forderung einer Tarifreform, Einheitstarifvertrag, angeblich sinkende Besuchernachfrage usw.), ohne die nachfolgenden Beiträge seiner Studentinnen zu berücksichtigen. Fazit: Ein Buch mit einer guten Grundidee, aber auch mit vielen kleineren Mängeln, die bei einer zukünftigen Bestandsaufnahme vermieden werden sollten.
Gerald Mertens