Le Beau, Luise Adolpha

Quintett op. 54

für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli (oder zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass), Erstveröffentlichung, hg. von Barbara Gabler

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Furore-Edition, Kassel 2010
erschienen in: das Orchester 12/2010 , Seite 69

Selbst Kenner der Kammermusikszene müssen ehrlicherweise be­troffen zugeben, dass sie noch nie etwas von dieser badischen Komponistin und Pianistin gehört haben, die 1850 in Rastatt geboren wurde und 77-jährig in Baden-Baden verstorben ist. Barbara Gabler hat jüngst beim Furore-Verlag in Kassel ihr damals erfolgreich aufgeführtes und von Kritik und Publikum gleichermaßen gelobtes Quintett op. 54 genau 110 Jahre nach dessen Entstehen als Erstausgabe veröffentlicht und die Komponistin damit wieder in das Licht der Musikwelt gerückt.
Le Beau, die sowohl in der alten MGG als auch im New Grove Dictionairy nicht verzeichnet ist, studierte u.a. bei Joseph Rheinberger Kompo­sition und bei Johannes Kalliwoda Klavier. 1910 veröffentlichte sie in Baden-Baden ihr bewegtes und nach „künstlerischer Entfaltung“ und Anerkennung sich sehnendes Leben in der Autobiografie mit dem Titel Lebenserinnerungen einer Komponistin – Reprint Gaggenau 1999, herausgegeben von Ulrike B. Keil –, worin ihr Kampf „um ihre Existenz als Komponistin“ zum Teil erschütternd zum Ausdruck kommt, den sie bald frustriert aufgab und sich zurückzog.
Das Streichquintett komponierte Le Beau „im Auftrag von Oscar Braun-Zundel, einem befreundeten Cellospieler“. Es besitzt dieselbe Besetzung wie Schuberts großes C-Dur-Streichquintett D 956 mit zwei Violoncelli anstatt zwei Bratschen wie bei Mozart, Beethoven, Bruckner, Brahms, Mendelssohn oder Dvor?ák. Dessen ungeachtet führt diese Edition eine von der Kontrabassistin Regine von Lühmann zusätzlich eingerichtete, meist lediglich oktavierte und nicht das Kontra-E unterschreitende Stimme für Kontrabass als Alternative zum zweiten Violoncello mit. Begründet wird dieser ungewöhnliche Schritt mit den ebenfalls mit zwei Celli zu besetzenden Quintetten von George Onslow, der einmal aus einer aufführungspraktischen Not eines fehlenden Cellos heraus kurzerhand einen Kontrabass (damals gespielt vom berühmten Domenico Dragonetti) besetzte und daraufhin wohl in den folgenden Quintetten dieses Instrument mit berücksichtigte. Letztendlich wird es jedoch den Interpreten überlassen bleiben, ob sie der etwas dickeren Onslow’schen oder lieber der klanglich ausgeglichenen Schubert’schen Klangwelt folgen werden.
Die Melodik ist gefällig, besitzt dennoch durchaus Tiefgang und wird oft entweder von den beiden Violinen oder Violine und Viola verstärkend vorgetragen, die Harmonik erweist sich zum Teil als recht farbig, bleibt aber im Gesamtkontext hinter der Tonsprache dieser Zeit eher zurück. Der langsame Satz gestaltet sich als kantabel mit einem bewegteren Mittelteil, dem eine kurze, fast augenzwinkernde Mazurka folgt. Der Finalsatz beginnt mit einem ausgedehnten, kontrapunktisch beachtlichen Fugato – jedoch nicht ganz so virtuos wie beispielsweise Beethovens drittes Rasumowski-Quartett op. 59. Es wird darauf ankommen, ob sich die Interpreten an die doch eher moderate Metronom-Angabe halten wollen. Insgesamt gesehen aber ein bemerkenswertes und lohnendes Quintett auf dem dünn gesäten Feld für dieses Ensemble.
Werner Bodendorff