Felix Draeseke

Quintet for string trio, horn and piano / Romance & Adagio for horn and piano / Sonata for clarinet and piano

Pascal Moraguès (Klarinette), Hervé Joulain (Horn), Lisa Schatzman (Violine), Marie Chilemme (Viola), David Pia (Violoncello), Oliver Triendl (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Tyx Art TXA 16077
erschienen in: das Orchester 06/2017 , Seite 70

Am meisten willkommen müssten eigentlich nicht jene CD-Einspielungen sein, die mehr oder minder Bekanntes in anregender Interpretation zu hören geben, sondern jene, die dies mit Wenig- oder Unbekanntem tun. Diese CD mit Bläserkammermusik des Spätromantikers Felix Draeseke ist so eine Einspielung. Zu hören sind Werke in Duo- und Quintettbesetzung, die Draeseke in den mittleren und späten 1880er Jahren schrieb. Er hatte da soeben eine Stelle für Komposition, Kontrapunkt und Harmonielehre am Dresdner Konservatorium übernommen, aber die hier zu hörenden Stücke kommen gänzlich unakademisch, heiter-lebendig und unmittelbar eingängig daher.
Das ist natürlich auch das Verdienst der einspielenden Musiker. Im Hornquintett B-Dur op. 48, das hier besonders gefällt, musiziert ein vor allem mit französischen Musikern besetztes Ensemble, das mit Frische und Esprit genau den richtigen Zugriff findet. Vor allem die Streicher stechen durch mühelos-lebendige Gestaltung Extravaganzen heraus. Das Vibrato wird sehr kultiviert, in angemessenen Dosen, aber effektvoll eingesetzt: Glutvoll ist der Ton, aber nicht schwülstig. Auf diese Weise erklingt das Quintett schlackenlos, aber ausdrucksstark konturiert. Der Horn-Part ist vergleichsweise wenig exponiert: Das Quintett ist kein verdecktes Solokonzert, sondern ein genuines Ensemblewerk. Dem ordnet sich auch der Klavierpart nahtlos unter; Oliver Triendls Spiel gefällt durch unaufdringliche Präsenz, einen klaren, präzisen Anschlag und flüssige Geläufigkeit. Schön, wie die Musiker sich wechselseitig den Raum zur Entfaltung geben und trotzdem übergreifende Bögen entstehen lassen.
Triendl und Hervé Joulain (Horn) formen das Adagio a-Moll op. 31 und die Romanze F-Dur op. 32 zu runden, eingängigen Miniaturen, die weder grundstürzend sind noch sein sollen, sondern schlicht gepflegte Kammermusik, die mal glanzvoll, stets gefällig ist, ohne aber je platt oder belanglos zu sein. Prinzipiell gilt das auch für die Klarinettensonate B-Dur op. 38. Ohne es an inhaltlichem Gewicht mit dem anderen größeren Werk der Einspielung, dem Hornquintett, aufnehmen zu können, ist auch dies ein solide und mit maßvoller Originalität gearbeitetes Stück; nicht ganz überzeugen kann indes die Interpretation des Soloparts durch Pascal Moraguès. Der beherrscht sein Instrument zweifellos perfekt: Seine ebenmäßige Tonbildung und unangestrengte Wendigkeit springen gleich ins Ohr. Aber dort, wo musikalische Gestaltung jenseits der Technik anfängt, bleibt sein Spiel etwas unbestimmt. Es fehlt dieser Darbietung an Plastizität, an Expression, sodass selbst der fehlerlose Klarinettenton manchmal etwas dünn, ja fast leblos wirkt. Das Gesamtbild einer sehr gelungenen Aufnahme, die interessantes Repertoire in ansprechender Interpretation vorlegt, wird dadurch jedoch nicht entscheidend geschmälert. Ein informatives Beiheft rundet den positiven Eindruck ab.
Gero Schreier