Aho, Kalevi
Quintet for clarinet and strings / Trio for clarinet, viola and piano / Sonata for two accordions
Wie sein Lehrer Einojuhani Rautavaara, Aulis Sallinen und andere herausragende Künstler Finnlands bezieht Kalevi Aho einen staatlichen Ehrensold. 1949 geboren, schrieb er bislang vier Opern, 15 Symphonien, 19 Konzerte, auch viel Vokal- und Kammermusik. Er studierte Violine und Komposition in Helsinki und ergänzte seine Studien bei Boris Blacher in Berlin. Anfangs lehrte er Musikwissenschaft an der Universität Helsinki. 1988 berief ihn die Sibelius-Akademie auf eine Kompositions-Professur, der er 1993 aufgab, um einzig seinem Schaffen zu leben. 1982/83 war er Senatsgast in Hamburg. 2002 inszenierte das Theater Lübeck seine tragische Oper Bevor wir alle ertrunken sind (vgl. das Orchester 5/02, S. 52).
Ahos Werkliste enthält mehrere Quintette mit Holzbläsern: ein frühes Oboen- und Fagottquintett, eines für Flöte, Oboe und Streichtrio. 1994 folgte ein Quintett für Altsaxofon, Fagott, Viola, Violoncello und Kontrabass. Den vorläufigen Abschluss dieser Werkgruppe bilden das Klarinettenquintett von 1998, ein Quintett für Flöte, Violine, zwei Bratschen und Cello (2000) sowie ein Bläserquintett (2006).
Das Klarinettenquintett entstand im Auftrag des Kammermusik-Festivals in Kuhmo. Als Solist schwebte ihm Osmo Vänskä vor: ein Klarinettist von Gnaden, damals Leiter des Symphonieorchesters Lahti, seit 2003 Chef des Minnesota Orchestra. In der vorliegenden Aufnahme begleiten ihn die vorzüglichen Solostreicher dieses Eliteorchesters aus dem Mittleren Westen.
Die mythische Seenlandschaft Kareliens, durchzogen von endlosen Kiefernwäldern, und die mittsommerliche Atmosphäre des Festivals hat sich in das gut halbstündige Werk hörbar eingeschrieben. Nach einem versonnenen Eingangssolo leiten aufschwingende Spielfiguren der Klarinette einen bewegteren, teils geisterhaften, teils elfenromantischen Hauptteil ein, der sich bis zum Prestissimo steigert, bevor wieder Ruhe einkehrt.
Das angebundene Andante changiert zwischen liedhaften Partien, virtuosen Kapriolen und impressionistisch getönten Klangmomenten. In Klarinettensoli eingefasst und alle Register des Blasinstruments durchmessend, gibt sich der Mittelsatz einer elegischen Grundstimmung hin, lässt aber auch Raum für vogelsangartigen Naturlaut. Als furiose Tanzszene mit burlesken Episoden erstürmt der vierte Satz den dynamischen Gipfel des Stücks, das mit einem friedvollen Epilog ausklingt.
Von Erinnerungen an Brahms’ spätes Meisterwerk hält sich Klarinettenquintett (fast) gänzlich frei. Manche Passagen klingen eher nach Hindemith. Der Solist ist stellenweise noch virtuoser gefordert als bei Brahms. “Multiphonics” tauchen nur episodisch auf (im Furioso) dramaturgisch bedingt, nicht um schrillen Weltverdruss zu markieren. Dass Aho sich auch kurz fassen und extravagant geben kann, zeigt sein Trio für Klarinette, Viola und Klavier: Final-Pflichtstück für den Viola-Wettbewerb 2006 in Tampere. Wiederum für Kuhmo entstand 1984 eine hochvirtuose Sonate für (Knopf-)Akkordeon, die er später auf zwei Spieler verteilte, um das polyfone Satzbild (Passacaglia, Tripelfuge) zu schärfen. Alle Werke seien tüchtigen Kammermusikern als Vortragsstücke warm empfohlen!
Lutz Lesle