Franck, César

Quatuor pour 2 Violons, Alto et Violoncelle

hg. von Christiane Strucken-Paland in Zusammenarbeit mit der Internationalen César-Franck-Gesellschaft, Urtext, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2010
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 72

Wie ein Albdruck mussten damals die Streichquartette Ludwig van Beethovens auf der Seele französischer Komponisten gelegen haben, sodass manche von ihnen sich erst im hohen Alter zutrauten, wenigstens ein Werk dieser anspruchsvollen Gattung zu komponieren. Wie Gabriel Fauré wagte sich ebenso César Franck erst kurz vor dem Tod an ein Streichquartett heran, und dies erst nach einem Anstoß von außen. Maurice Ravel, Claude Debussy und Jacques Ibert schrieben jeweils nur ein Streichquartett, traten jedoch aus dem übermächtigen Schatten.
Anders Franck: Nach dem Vorbild von Beethovens neunter Symphonie rekapitulierte er im ausgedehnten, fast sinfonisch angelegten Finalsatz von über 880 Takten die Hauptthemen der vorangegangenen Sätze: nur in umgekehrter Reihenfolge vom langsamen Satz aus. Mit der von ihm entwickelten Kompositionstechnik des Principe cyclique, das gemeinsame thematische Material aufeinander zu beziehen und zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuschließen, entstand so ein einzigartiges Streichquartett. Es stelle die „Summe der kompositorischen Errungenschaften Francks dar“ und zeichne sich durch eine „manieristische Formbeherrschung“ und „atemberaubende harmonische Konstruktivität“ aus.
Diese Charaktereigenschaften und noch mehr Informationen zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte, zu den spezifischen Merkmalen des Werks von 1889, dessen Genese und „recht komplizierte“ Quellenlage erfährt man aus dem spannenden, dreisprachigen Vorwort, welches die Herausgeberin Christiane Strucken-Paland verfasste. Sie hat bereits 2004 über die Reminiszenzentechnik in Francks zyklischen Instrumentalwerken gearbeitet und war bestens geeignet, für den Kasseler Verlag eine neue, auf wissenschaftliche Basis gestellte Urtext-Ausgabe herauszugeben. Dass sie akribisch gearbeitet hat, kann man neben der ausführlichen Bibliografie ins­besondere an den zehn Seiten umfassenden, scheinbar zahllosen Einzelanmerkungen in den unterschiedlichen Quellenbelegen im „Kritischen Bericht“ am Ende des Notenteils mitverfolgen. Dies betrifft im Einzelnen das Autograf, die autografe Reinschrift und Stichvorlage, den Erstdruck von 1890 kurz vor dem Tod des Komponisten sowie die Abschrift von Eugène Ysaÿe.
Sowohl Studienpartitur als auch Stimmenausgabe ist im bewährten Bärenreiter-Layout und gut lesbaren Satzspiegel gedruckt und lässt für den eifrig Studierenden wie für die Streicher kaum Wünsche offen. Dennoch finden sich trotz genauer Arbeit kleinere Schreibfehler wie beispielsweise in der Violinstimme II ein leidiges pochissimpiù im Finalsatz (T. 138), ein etwas zu groß geratenes rall. in der ersten Violinstimme (T. 866), das long kennt drei verschiedene Schreibvarianten. Nicht zuletzt ist die Kennzeichnung des Buchstabens „A“ im Scherzo (T. 30) nach der Generalpause in den Stimmen der Viola bzw. in der Violine II um einen Takt bzw. um zwei Takte nach hinten verschoben, was aber letztendlich die Spielfreude kaum eintrüben wird.
Werner Bodendorff