Werke von Franz Anton Hoffmeister, Henry Purcell, Carl Stamitz u. a.
Quartette für Violine, zwei Violen und Violoncello
Quatuor Avium: Akiko Sato (Viola), Sibylle Langmaack (Viola), Norbert Ginthör (Violoncello), Felix Treiber (Violine)
Bereits Franz Anton Hoffmeisters dreisätziges Streichquartett Es-Dur op. 20 Nr. 5, mit dem die Produktion anhebt, macht den besonderen Reiz der hier zu hörenden Besetzung deutlich: Die Betonung der Mittellage, die sich durch häufige Parallelführung beider auch thematisch zentral eingesetzten Violen ergibt, wird durch eine oft in tieferen oder mittleren Registern eingesetzte Violine nach oben hin erweitert. Dadurch ergibt sich eine völlig andere Klangwirkung als beim herkömmlichen, oberstimmenbetonten Streichquartett. Die CD versammelt eine Reihe von Beispielen für die Schönheit und Wirksamkeit dieser ungewohnten Verschiebung innerhalb des Quartettklangs, aber auch für den Abwechslungsreichtum, den verschiedene Komponisten ihr abgetrotzt haben. Ganz anders als Hoffmeister arbeitet beispielsweise Carl Stamitz in seinem zweisätzigen Quartett g-Moll op. 2 Nr. 2 mit dem kompakten Klang der parallel geführten und eng nebeneinander liegenden Oberstimmen Violine und erste Viola, der nur zeitweise zugunsten belebterer Mittelstimmen aufgegeben wird. Umso wirkungsvoller sind dann jene Momente, in denen die Einzelstimmen alternierend aus Klangblöcken oder Unisonopassagen heraustreten.
Die Sorgfalt, die das Quaturo Avium mit Felix Treiber (Violine), Akiko Sato und Sibylle Langmaack (Viola) sowie Norbert Ginthör (Violoncello) an den Tag legt, um die eingespielten Komposition klar und durchhörbar zu gestalten, ist beachtlich. Darüber hinaus nimmt das Ensemble aber auch im Hinblick auf seine stilitische Wandlungsfähigkeit für sich ein: Neben den klassischen Werken Hoffmeisters, Stamitz’ und Giuseppe Maria Cambinis sind da beispielsweise zwei Fantasien von Henry Purcell und William Byrd, deren englische Herkunft auf die ursprünglich intendierte Besetzung für Gambenconsort verweist – ein Vorbild, das in der vibratolosen, in Bezug auf die Intonation leicht geschärften Wiedergabe der Musiker:innen deutlich mitschwingt. Historisch am weitesten hiervon entfernt ist das 2020 entstandene Quartett des Primarius Felix Treiber, das die Reize der Besetzung auf besonders raffinierte Art ausstellt. Gestische Elemente wie glissandierende Einzelstimmen oder Klangballungen bestimmen das Gegeneinander und Zusammenwirken der Instrumente; vielfältige Vibratoschattierungen tragen dazu bei, die manchmal herbe, manchmal leuchtende Harmonik zu entfalten, über der sich in der ruhigen „Meditation“ die Kantilenen erheben. Und der rhythmisch wendige Vortrag von Akzentuierungen und gezackten Rhythmen sorgt in Finale und tänzerischem zweiten Satz für das Überspringen energetischer Momente auf den Hörer.
Wer damit noch nicht genug hat, dem schenkt Treiber mit seiner Bearbeitung dreier „Preludes“ von George Gershwin noch eine kurze Zugabe, die vor allem den warmen, sinnlichen Klang des Avius Quartetts zum Zuge kommen lässt.
Stefan Drees