Michael Gotthard Fischer

Quartett op. 6

für Klavier, Violine, Viola und ­Violoncello

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ikuro
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 63

Obwohl die Kammermusikliteratur des beginnenden 19. Jahrhunderts nicht gerade reich an Werken für Klavierquartett ist, musste ein so wundervoll melodienreicher und fein gestalteter Beitrag wie Michael Gotthard Fischers Opus 6 gut 200 Jahre auf seine Wiederentdeckung warten. Von zeitgenössischen Kennern sehr wohl hochgeschätzt war der nahe Erfurt geborene und dort auch gestorbene Beethoven-Zeitgenosse (dessen Pastorale er konge­nial für Streichsextett bearbeitet hat) kein „großer“ Name in Mitteldeutschland oder darüber hinaus. Fischer war Enkelschüler von Bach, Organist und Konzertmeister und hat neben Choralbearbeitungen und Orchestermusik auch in der Kammermusik ein recht umfangreiches Werk erarbeitet.
Ganz gewiss kannte Michael Gotthard Fischer die beiden Klavierquartette von Mozart und die entsprechenden Beiträge von Beethoven. Doch sein Ansatz ist ein ganz eigener, sehr melodiebetonter und lyrischer, der gleichwohl Kammermusik mit konzertanten Elementen verbindet. Das gelingt schon im Kopfsatz mit seiner langsamen Einleitung und dem eher zurückhaltenden Allegro-Hauptteil ganz hervorragend. Fein gesponnene Gesangslinien prägen das musikalische Miteinander des Klaviers und der Streicher, harte Akzente oder extreme Klangwechsel werden eher vermieden.
Das Poco Adagio schließt in diesem Geiste an, bietet Raum für feine Streichersoli und ein sehr behutsam austariertes Klangbild. Ein eher konzertant angelegtes Rondo beschließt das F-Dur-Quartett und bietet sowohl dem kleinen „Streichorchester“ aus Violine, Bratsche und Cello als auch dem sehr solistisch agierenden Klavier schöne Gelegenheiten, instrumentales Können und technische Brillanz zu zeigen. Der Eindruck eines kleinen Klavierkonzerts wird noch durch eine angedeutete Kadenz des Tasteninstruments verstärkt, jedoch täte man Michael Gotthard Fischer Unrecht, würde man nicht auch diesen beschwingten Finalsatz als ein Stück ernstgemeinter Kammermusik begreifen.
Dieses Verständnis für ein ganz außergewöhnlich wertvolles und feines Stück Kammermusik beweist im Übrigen die Parnassus Akademie in ihrer kürzlich erschienenen Einspielung des Fischer-Klavierquartetts bei MDG. In Zusammenarbeit mit der von Michael Groß geleiteten Parnassus Akademie entstand die jetzt bei Ikuro erschienene revidierte Neuausgabe des Opus 6, die definitiv Lust auf mehr Werke von Michael Gotthard Fischer macht.
Daniel Knödler