Otto Dessoff

Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello E-Dur op. 11

Hg. von Joachim Draheim

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: ortus musikverlag, Beeskow
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 67

Es gibt inzwischen kaum ein Bundesland, das seine Komponis-
tinnen und Komponisten nicht dadurch ehrt, dass landesinterne Gesellschaften mit ihren zahlreichen Publikationsreihen deren Werke einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Und so gab erst jüngst die Gesellschaft für Musikgeschichte in Baden-Württemberg das Streichquartett E-Dur op. 11 von Otto Dessoff heraus. 1835 in Leipzig geboren, ist er in der Musikgeschichte seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts nicht ganz unbekannt. Als Tonkünstler geriet er jedoch schnell in Vergessenheit, zumal sein Œuvre recht übersichtlich zu sein scheint und mit vorliegendem Streichquartett aus dem Jahre 1880 endet. Dessoff hatte sich nach dem Studium am Leipziger Konservatorium zunächst als nur 19-Jähriger nicht nur mit seinem anscheinend vorzüglichen Klavierspiel einen Namen gemacht, sondern auch als Theaterkapellmeister in verschiedenen Städten wie Chemnitz, Düsseldorf oder Magdeburg. Er lebte später in Wien, lehrte am dortigen Konservatorium und leitete sehr erfolgreich die Philharmonischen Konzerte. Dessoff galt als glühender Brahms-Verehrer, ließ sogar seine Kompositionen von ihm begutachten und führte unter anderem später in Karlsruhe als Hofopernkapellmeister dessen 1. Sinfonie zum ersten Mal auf.
Das Werk selbst wurde „anlässlich der großen Dessoff-Ausstellung entdeckt“, so der Herausgeber Joachim Draheim im deutschsprachigen, fachkundigen wie ausführlichen Vorwort. Es wurde am 22. Januar 2022 im Vortragssaal der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe uraufgeführt, das Stuttgarter Albert-Quartett spielte es auf einer CD ein. Vermutlich hatte sich Dessoff damals nach der zweiten erfolgreichen Aufführung seines Streichquartetts op. 7 und der Uraufführung seines Streichquintetts op. 10 am 6. April 1880 in Baden-Baden ermuntert gefühlt, gleich ein zweites Streichquartett zu schreiben. So weise das im Autograf vermerkte „Opus 11“ auf eine geplante Veröffentlichung hin. Jedoch kam es nicht mehr dazu, da Dessoff Karlsruhe den Rücken kehrte. Er hatte in der Sommerpause mit der Frankfurter Oper verhandelt. Im Herbst gab er dort bereits die erste Vorstellung.
Als Kenner der Dessoff’schen Kammermusik schreibt Joachim Draheim über das Opus 11, es vereine alle Vorzüge, die beide Vorgängerwerke auszeichneten. Und das „mit einer beispiellosen Steigerung der harmonischen, rhythmischen und satztechnischen Raffinesse und mit einer noch größeren Prägnanz des thematischen und motivischen Materials“.
Für den Erstdruck wurden die autografe Partitur sowie vier Stimmenabschriften als Quelle herangezogen, die sich zunächst in Privatbesitz befanden, nun aber in der Universitätsbibliothek in Frankfurt aufbewahrt werden.
Werner Bodendorff