Matthias Hutter
Quartett
für Oboe d‘amore, Violine, Viola und Violoncello, Partitur und Stimmen
Die Oboe d‘amore ist leider nicht mit einem dicken, knisternden Stapel anspruchsvoller Kammermusiknoten gesegnet. Wenn sie solistisch ertönt, wird es dem Hörer häufig sogar ein wenig weihnachtlich ums Herz. Ganz anders hat Matthias Hutter die Oboe d’amore in seinem neuen Quartett für Oboe d’amore, Violine, Viola und Violoncello op. 53 eingesetzt. Hochvirtuos, dramatisch, verträumt und expressiv bis in den letzten Ton, kein bisschen mit der Patina des vorgeblich lieblichsten Nebeninstruments der Oboe überzogen, darf sie hier ihre ganze Klangschönheit, ihre große technische Wendigkeit und ihr feines dynamisches Spektrum zelebrieren. Auch Violine, Viola und Violoncello werden in diesem Quartett musikalisch gefordert.
Dem Hörer bietet dieses Quartett eine Viertelstunde puren Musikgenusses. Es bereichert mit Sicherheit jedes Kammermusikkonzert in der Besetzung Oboe, Violine, Viola und Violoncello, doch es erfordert durchaus intensive Probenarbeit und selbstverständlich gute technische Beherrschung der Instrumente. Das einsätzige Quartett ist deutlich strukturiert durch sowohl sehr langsame, dann wieder sehr flotte Tempi, teils aber durch sich wiederholende Strukturen und Figuren. Die Oboe d’amore wird als einziges Blasinstrument in dieser Besetzung von Beginn an als strahlende Solistin eingesetzt, darf bis zum notierten g”’ hinauf, rast durch blitzschnelle Tentolensechzehntel und setzt die satten Töne der tiefen Lage wohlig auf die drei Streicher.
Diese treten teils als sehr einiges Trio auf und rollen der Oboe d’amore oft einen eleganten, musikalischen Samtteppich aus. Nur die Violine tritt manchmal als solistischer Partner der Oboe hervor, wodurch schöne Interaktionen entstehen. So ergänzt die Violine zu Beginn die Tentolen der Oboe d’amore mit kleinen Einwürfen und gibt nebenbei dem Oboisten die Möglichkeit zu atmen. Kurze, technisch nicht übermäßig anspruchsvolle Kadenzen geben der Oboe d’amore weitere Gelegenheiten, charmant mit ihrem Klang zu bezirzen. Wenige Vierteltöne in der Oboe und Flageoletts in den Streichern sorgen für zusätzliche klangliche Varianten.
Insgesamt findet man in diesem Werk Hutters jedoch keine Passagen, die durch Spieltechnik und Harmonik unbedingt musikalisches Neuland markieren wollen. Synkopisierte Stellen und die vielen unisono gesetzten Einwürfe der Streicher müssen auf den Punkt gebracht werden, damit das schöne Stück nicht ins Schwimmen gerät und zu einem expressiven Klangbad mutiert. Denn Komponist Hutter hat hier nichts dem Zufall überlassen. Das Quartett ist dem Solo-Oboisten David Werner gewidmet, in dessem Verlag das Werk auch erschienen ist.
Engagierte Musikliebhaber, fortgeschrittene Schüler oder wenig erfahrene Studenten werden diese Musik möglicherweise als Hörer mehr genießen können denn als Spieler. Für gestandene Musiker jedoch, die gern intensiv Kammermusik betreiben, ist das Quartett eine unbedingte Bereicherung. Für das Publikum ebenso!
Heike Eickhoff