Roth, Olaf Matthias / Clemens Prokop / Detlef Giese / Robert Maschka

Puccini. La Bohème / Mozart. Don Giovanni / Verdi. Aida / Beethoven. Fidelio

Opernführer kompakt

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Seemann Henschel/Bärenreiter, Leipzig/Kassel 2012
erschienen in: das Orchester 09/2012 , Seite 68

Die Idee ist nicht neu, doch immer wieder gut: kompakte Opernführer zu Repertoire-Highlights. Viele kennen noch die von Kurt Pahlen herausgegebenen Taschenbücher Opern der Welt oder die von Attila Csampai und Dietmar Holland in den 1980er Jahren parallel erschienenen Werkführer mit dem sachlichen Untertitel „Texte, Materialien, Kommentare“. Damals war es eine Generations- und auch Glaubensfrage, ob man eher zum konservativen Einführungsstil des 1907 geborenen Österreichers Pahlen griff oder die kritisch durch die 1968er-Bewegung veränderten Sichtweisen Csampai/Hollands bevorzugte.
Heute hat sich viel geändert. Dramaturgen und Programmheftschreiber verstehen sich nicht so sehr als Jünger universitärer Schulen, sondern als Musikvermittler. Das vorhandene Material soll möglichst verständlich aufgearbeitet werden. Dort setzen die neuen Opernführer kompakt an, die als Gemeinschaftsproduktion des Kasseler Bärenreiter- und des Leipziger Seemann Henschel-Verlags erscheinen. Vier zentrale Opern machen den Anfang der Serie: Beethovens Fidelio, Mozarts Don Giovanni, Puccinis La Bohème und Verdis Aida.
Die Grundstruktur der Bände ist immer gleich: Nach einer Einleitung zum Komponistenleben wird die Entstehungsgeschichte der Oper zusammengefasst. Dann geht es konkret um die Dramaturgie und die Musik, wobei auf alle einzelnen musikalischen Nummern eingegangen wird. Abschließend folgt die Rezeptionsgeschichte mit einer Zusammenfassung wichtiger Inszenierungen, Einspielungen und DVD-Produktionen. Innerhalb des festen Schemas haben die einzelnen Autoren Raum, eigene Akzente zu setzen – etwa Essays einzubinden.
Die vier Bände sind allesamt kenntnisreich verfasst und bieten einen umfassenden Einstieg in die jeweilige Oper, wobei Robert Maschka bei Fidelio sogar auf alle vier Ouvertüren eingeht und Olaf Matthias Roth endlich einmal den lange verkannten Rang von La Bohème würdigt. Die Beiträge sind sprachlich flüssig, feuilletonistisch geschrieben und auch dem Laien verständlich. Wenige Notenbeispiele sollen den Leser nicht überfordern, auf Fachtermini wird weitgehend verzichtet. Die wichtigsten Begriffe sind in einem Glossar am Ende erklärt. Dort kann man etwa nachlesen, was ein „Basso cantante“ ist. Allerdings fallen die Erklärungen oft sehr kurz aus. Dass eine Kadenz nicht nur eine harmonische Schlusswendung, sondern gerade im Gesang auch eine Auszierungspraxis ist, wird im Fidelio-Band verschwiegen. Praktisch sind die Grafiken zur Figurenkonstellation oder die farbigen Bilder zur Inszenierungsgeschichte.
Am flottesten liest sich der Don Giovanni-Band von Clemens Prokop, vielleicht auch eine Generationsfrage. Erstaunlicher Weise findet sich weder in seinem Literaturverzeichnis das Standardwerk zum Thema (Stefan Kunze: Mozarts Opern, Ditzingen 21996) noch in seiner Interpretationsgeschichte ein Hinweis auf die klassische EMI-Aufnahme unter Giulini von 1961. Bewusst oder unbewusst?
Matthias Corvin