Sebastian Hilli
Psycho Wood
für Schlagzeugquartett (elektronisch verstärkt) und Zuspielband, Partitur und Stimmen
Der Schlagzeuger und Komponist Matthias Kaul schrieb bereits im Jahr 1997 mit seinem Stück Hendrix für elektrifizierte Pauken eine Hommage an die Rockmusik der 1960er Jahre. Sympathien für diese oft psychedelische Musik scheinen aber auch die Nachgeborenen zu haben. Abzulesen ist dies z. B. an den typischen Sounds von elektronischer Orgel und Wah-Wah-Gitarre mit Delay und Reverb, die der 1990 geborene Finne Sebastian Hilli in seine Komposition Psycho Wood für elektronisch verstärktes Schlagzeugquartett und Zuspielband integriert. Hilli ist nach dem Gewinn des prestigeträchtigen niederländischen Gaudeamus Awards 2018 ein gefragter und regelmäßig mit Aufträgen bedachter Komponist. Seine Werke wurden u. a. bereits vom Tokyo Philharmonic Orchestra und dem finnischen Radio Symphony Orchestra sowie mehreren internationalen Neue-Musik-Ensembles aufgeführt.
In Psycho Wood, das 2018 von Slagwerk den Haag uraufgeführt wurde und 2024 in der Edition Schott erschien, spielen die Schlagzeuger ausschließlich mit Objekten aus Holz. Sie sitzen im Halbkreis auf der Bühne und agieren mit verschiedenen Formen dieses Materials, von natürlich bis verarbeitet, von Ästen bis Papier. Die Schlagzeugklänge werden dem synthetischen und unnatürlichen Material der Elektronik gegenübergestellt und ergänzen es. Um die disparaten Materialwelten miteinander zu verflechten, werden die Holzinstrumente verstärkt und ihre Klänge in der Elektronik als modifizierte Aufnahmen von knackenden Ästen, zerbröselnden Blättern und reißendem Papier verwendet. Rhythmisch gespielte Holzblöcke verschmelzen mit vielen Reibe-, Reiß- und Superballklängen zu einem geheimnisvollen und tendenziell sparsamen Gesamtklang.
Die Form des Stücks folgt den von Timothy Leary 1964 beschriebenen drei Phasen eines LSD-Trips, von der Erfahrung des klaren Lichts über die Phase der Halluzination bis zum Wiedereintritt – ein Ablauf, der bei der Gesamtdauer des Stücks von ca. zehn Minuten allerdings stark verkürzt ist. In das Zuspielband eingefügte Kurzzitate von Timothy Leary wirken als drittes Element neben Perkussion und Elektronik poetisch-atmosphärisch, sie tragen wesentlich zur Dichte der Komposition bei. Unterschiedliche Energiezustände gehen nahezu unmerklich ineinander über, unerwartete Klangkumulationen überraschen, die Musik ist durchgehend spannend.
Dass musikalische Rückblicke eine gute kompositorische Strategie sein können, hat Sebastian Hilli mit Psycho Wood bewiesen. In seiner neuen Komposition 1977 – a Violin Concerto, die in diesem Jahr vom finnischen Stargeiger Pekka Kuusisto uraufgeführt werden wird, widmet er sich bereits der nächsten Dekade.
Stephan Froleyks