Werke von Giuseppe Martucci, Ottorino Respighi und Nino Rota

Progetto Italiano

Vladyslava Luchenko (Violine), Christia Yuliya Hudziy (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Claves
erschienen in: das Orchester 02/2020 , Seite 70

Wenn zwei ukrainische Musikerinnen sich in der Schweiz zu einem italienischen Projekt zusammentun, darf man gespannt sein, ob dabei mehr herauskommt als Multikulti. Um es gleich zu sagen: Was die Geigerin Vladyslava Luchenko und ihre Klavierpartnerin Christia Yuliya Hudziy auf dieser CD zu erzählen haben, ist weit mehr als eine dieser Melanges, die aus dem Verschmelzen der Kulturen gesichtslos hervorgehen.
Die 31-jährige Geigerin, die seit 2018 eine Konzertmeisterstelle beim Sinfonie Orchester Biel Solothurn innehat, hat offenbar bei ihrer Reise durch namhafte Violinschulen in Kiew, Zürich, Berlin und dem belgischen Waterloo (an der Queen Elisabeth Music Chapel unter Augustin Dumay) nicht nur einen sehr sensiblen Ton kultiviert, sondern sich auch eine ganz und gar nicht beliebige Musikalität angeeignet. Etliche erfolgreiche Wettbewerbsteilnahmen, zuletzt der Rotary Excelence Preis in Zürich 2013, sprechen für sich.
Ihr Progetto Italiano jedenfalls, das wenig gespielte Werke der Komponisten Giuseppe Martucci, Ottorino Respighi und Nino Rota klug gegeneinanderstellt, offenbart eine Künstlerin, die einer im Grunde wenig eigenständigen Literatur viele liebenswerte Facetten abgewinnt. Martuccis Drei Stücke op. 67 dürfen in der Interpretation des Duos Luchenko/Hudziy als durch und durch gelungener Beitrag des Post-Schumannianers fürs Repertoire gelten: Über klar prononcierten Statements des Klaviers spinnt die Geige süß blühende, intensiv brodelnde, lustvoll singende Bögen, die im finalen Allegro passionato sich vom Neapolitanischen in die Welt Chopins hinübersehnen.
Von Ottorino Respighi ist die h-Moll-Sonate von 1917/18 ein bemerkenswertes Beispiel für den reifen, weitgehend unbekannten Kammermusik-Stil des Pinien von Rom-Breitwandkomponisten. Seine frühen Sechs Stücke für Violine und Piano von 1902 wechseln faszinierend den Ton zwischen sanftem Wiegenlied und ausschweifenden Tänzen.
Vom La Strada-Filmkomponisten Nino Rota ist das Improvviso in d-Moll in den Kreis der italienischen Musik aufgenommen. Als Destillat aus dem Soundtrack zu Gianni Franciolonis Film Amanti senza amore (1947) präsentieren sich diese Improvisationen als technisches Bravourstück mit Schmachtfetzen-Passagen, in denen Vladyslava Luchenko eindrucksvoll zeigt, dass sie auch technisch alles draufhat, was eine erfolgreiche Musikerin heute so braucht. Fotogen, das bezeugt das auf Englisch verfasste Booklet, sind die beiden Künstlerinnen sowieso. Der schweizerische Klassik-Verlag Claves verbürgt bei all dem Erfreulichen eine exzellente Aufnahmequalität.
Armin Kaumanns