Günter Buhles
Prisma
Concerto for alto saxophone and orchestra, Lee Konitz (Saxofon), Brandenburgisches Staatsorchester, Ltg. Christoph Campestrini
Als Komponist außerhalb des Zirkels großer Namen muss man froh sein, wenn man ein Orchester für eine Uraufführung findet. Der Musikjournalist Günter Buhles, der unter anderem auch für das Orchester schreibt, konnte sich im Jahr 2000 glücklich schätzen, dass das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt sein für den Altsaxofonisten Lee Konitz komponiertes Konzert Prisma uraufführte, wenngleich das 17-minütige Werk mehr hergeben könnte, als die Brandenburger unter ihrem Dirigenten Christoph Campestrini boten. Ihnen fehlt bei der mit zwei Mikrofonen angefertigten Konzertdokumentation die rhythmische und klangliche Präzision, um gleichwertig mit Konitz’ Solo zu bestehen.
Buhles, der sich schon in Artikeln (siehe das Orchester 10/2017) mit Cross-over-Werken für Sinfonie- oder Kammerorchester und Jazz befasst hat, kennt die Tücken dieser Begegnungen und findet Lösungen, wo andere scheiterten. So komponiert er – im Gegensatz zu vielen anderen – das Orchester als Klangkörper, der nicht nur einen wohlig untermalenden Untergrund für den Jazzsolisten bereitet, sondern mit diesem korrespondiert, dessen Linienführung aufgreift, sie übernimmt, kommentiert und die klanglichen Möglichkeiten der Großbesetzung mit Streichern, Holz- und Blechbläsern für unterschiedliche Färbungen nutzt.
Die Anlage der Orchesterstimmen verrät, dass er sich intensiv mit den Eigenheiten des Jazzsaxofonisten Konitz befasst hat. Seine Komposition korrespondiert mit der Konitz-typischen Dynamik, seiner Vorliebe für den Kontrast aus klarer Linienführung und Schnörkeln sowie Konitz’ Tendenz, eine Linie kurz zu unterbrechen und dann fortzuführen. So wechseln bereits in den ersten Takten des Allegro helle Bewegungen und dunkle Streicher als Vorahnung dessen, was Konitz beitragen wird; der weitere Fortgang dieses Satzes bringt Parallelführungen und Dialogmomente sowie knappe Grundierungen.
Das Adagio geht von den vom tiefen Blech aufsteigenden Streicherfiguren aus und führt sie in kippende Klangflächen, über die sich das Altsaxofon erhebt. Auch hier schafft Buhles mit eigenständigen Orchesterbewegungen Kontraste, die allerdings von den Brandenburgern nicht sauber ausgekostet werden.
Ähnlich differenziert wie in den bisherigen Sätzen verschränkt Buhles im Scherzo Solist und Orchester ineinander, wobei er hier stärker auf Percussion und rhythmische Kontraste setzt. Ein Dialog von Klavier und Saxofon leitet das abschließende Allegro Molto – Allegretto ein. Es vereint starke rhythmische Bewegungen mit einem mehrstimmigen, an Filmmusiken erinnernden Orchestersatz, in den Buhles Konitz’ Saxofon elegant einbettet.
Die folgenden drei Duette von Konitz und dem Pianisten Frank Wunsch über Konitz’ eigenes Thema Thingin’, Frank Wunschs Joana’s Waltz und der Jazzstandard Body And Soul ergänzen die CD auf eine Gesamtspielzeit von 34 Minuten. Buhles wäre es zu gönnen, wenn sich auf Grundlage der vor 18 Jahren eingespielten Aufnahme weitere Orchester für das Werk interessieren und es aufführen.
Werner Stiefele