Rachmaninov, Sergei
Prince Rostislav/Symphony No. 1 in D minor op. 13
Der junge, international schon erfolgreiche Dirigent Vasily Petrenko, der seit seinem Amtsantritt beim Royal Liverpool Philharmonic Orchestra 2006 das Niveau des Orchesters deutlich verbessert hat, schließt mit der ersten Sinfonie sowie der frühen Sinfonischen Dichtung Prince Rostislav seinen Rachmaninow-Zyklus ab. Neben den drei Sinfonien bei Warner hat der Russe beim Label Avi zuvor schon die Toteninsel, die Sinfonischen Tänze und die Klavierkonzerte Rachmaninows eingespielt. Zudem hat Petrenko bei Naxos einen mit viel Aufmerksamkeit bedachten Zyklus aller Schostakowitsch-Sinfonien aufgenommen.
Der vollständige Misserfolg der Uraufführung der ersten Sinfonie am 15. März 1897 zeitgenössischen Berichten zufolge soll der Dirigent Glasunow betrunken gewesen sein stürzte den jungen, als Pianist schon sehr erfolgreichen Rachmaninow in eine tiefe Schaffenskrise, von der er erst Jahre später durch den Neurologen Nikolai Dahl geheilt wurde. Erst 1945, also zwei Jahre nachdem Tod des Komponisten, gab es in Moskau eine erfolgreiche Zweitaufführung des Werks.
Im Gegensatz zu Mikhail Pletnev und seinem hervorragenden Russischen Nationalorchester auf der auch dank der sehr guten Klangtechnik etwas detailreicheren Aufnahme bei der Deutschen Grammophon geht
Petrenko bei dem Livemitschnitt mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra einen mehr dramatisch-zupackenden Weg, der die emotionale Wucht der Komposition in den Vordergrund stellt. Dies ist nicht ohne
Risiko bei einem Frühwerk wie der d-Moll-Sinfonie des 25-jährigen Rachmaninow, aber die Einsatzbereitschaft der Liverpooler und die vorantreibende Energie ihres Chefdirigenten tragen Früchte. Das eher kompakte Klangbild der Warner-Einspielung passt durchaus zu den Intentionen des Dirigenten, der die klanggesättigte Partitur und ihre durchaus plakativen Momente mit vollem Risiko ausspielt. Die emotionale Dringlichkeit dieses Ansatzes überzeugt aber bei dieser Interpretation, die über mehr als vierzig Minuten in der Lage ist, die Spannung zu halten, wobei die Streicher insgesamt mehr als die gelegentlich gefährdet klingenden Blechbläser überzeugen können. Die Holzbläser hingegen legen nicht nur im einfühlsam gestalteten Larghetto den Nachweis ihrer Klasse ab, wobei der Dirigent hier auch keine Scheu hat, die dunklen Seiten der Musik mit Nachdruck erklingen zu lassen. Petrenko lässt sich auf die Musik Rachmaninows mit ihrem dunkel grundierten Überschwang, ihren Brüchen, sicher auch formalen Schwächen ein und zieht den Hörer immer mehr in ihren Bann.
Sehr gut steht der emphatische Zugriff des aus St. Petersburg stammenden Dirigenten auch der kaum zu hörenden Sinfonischen Dichtung Prince Rostislav an. Im Studio klingt das Spiel der Liverpooler etwas ausgefeilter, Petrenkos Dirigieren ist aber nicht weniger dramatisch-zupackend und emotional. Die Geschichte des toten Ritters auf dem Flussgrund, der von Nixen umgarnt wird, wird vom jungen Komponisten das Werk entstand 1891 mit viel Sinn für dunkles Orchesterkolorit und dramatischer Wirksamkeit gestaltet.
Walter Schneckenburger