Claude Debussy

Première Rhapsodie

für Orchester mit Solo-Klarinette in B/für Klarinette in B und Klavier, Urtext, hg. von Douglas Woodfull-Harris, Partitur/Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel
erschienen in: das Orchester 07-08/2018 , Seite 62

Rechtzeitig zum 100. Todestag Claude Debussys ist die Première Rhapsodie für Klarinette und Orchester bzw. Klavier in neuem Gewand erhältlich, die der Komponist zwischen Dezember 1909 und Januar 1910 schrieb.
Die Reihenfolge der Konzeption ist für Debussy ungewöhnlich, worauf auch der Herausgeber Douglas Woodfull-Harris hinweist. Denn sie würde belegen, „dass die Orchesterfassung schon von Anfang an im Zentrum der Konzeption stand, während der Klavierpart lediglich“, und das würde auch der Wortlaut auf dem Vertragsabschluss mit dem Pariser Verleger Durand zeigen, „als ‚Reduktion‘ deklariert wurde“. Doch war zunächst die Fassung mit Klavier fertig, die im Rahmen einer öffentlichen Prüfung am Pariser Conservatoire am 10. Juli 1910 im Beisein Debussys aufgeführt wurde. Die offizielle Uraufführung fand erst ein halbes Jahr später statt. Die Orchesterfassung beginnt Debussy im Sommer 1911, die mehrmals zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurde – mit unterschiedlichen Einschätzungen.
Die vorliegende Ausgabe für Orchester und die für Klavier erfüllen die hohen wissenschaftlichen Normen, Ansprüche und Vorstellungen moderner Urtext-Editionen. Allein das zweispaltig gedruckte, dreisprachige Vorwort (englisch, französisch, deutsch) umfasst je sechs Seiten, obgleich die Rhapsodie relativ kurz ist. Douglas Woodfull-Harris verfasste es als eine lesenswerte, spannende und erschöpfende Einführung in das nicht gerade leicht zu spielende Konzertstück.
Er durchleuchtet dabei nicht nur Entstehung, Publikation, frühe, noch zu Lebzeiten Debussys getätigte Auf­führungen (Uraufführung in Budapest am 20. November 1912) mit den unterschiedlichen Kritikerechos, sondern weist auch auf ästhetische Aspekte und die Aufführungspraxis in Bezug auf die Solo-Klarinette und die Streicher hin. Das Vorwort endet zunächst mit einer minutiösen Quellenbewertung, insbesondere der verschiedenen Lesarten der Klarinettenstimme, und bewertet sowohl die Fassung für Klavier als auch die spätere Fassung für Orchester. Der Herausgeber scheut sich hierbei aber auch nicht, in die Diskussion der verschiedenen Lesarten einiger unterschiedlicher Töne der Klarinette hinzuweisen, da spätere, jahrgenau aufgelistete Korrektureingriffe in wohl unfreiwilliger Weise zu einigen Varianten führten.
Der vorliegenden wissenschaftlich-kritischen Ausgabe liegen für beide Fassungen die Lesarten der Klarinettenstimme des Autografs und der Erstausgabe zugrunde.
Diese Quellen sind nach Ansicht Woodfull-Harris’ die am verlässlichsten, da Debussy das Stück anlässlich der Prüfung am Conservatoire insgesamt elfmal hörte und daher den Klarinettenpart ausgefeilt haben muss. Außerdem hat er die Druckausgabe begleitet und betreut.
Beide Ausgaben enden mit einem akribisch geschriebenen Kritischem Bericht nebst zahlreichen Einzelanmerkungen, leider nur in englisch. Die Solo-Stimme ist mit großzügig und mit klarem und großem Notenbild gedruckt.
Werner Bodendorff