Debussy, Claude

Prélude à l’après-midi d’un faune/La mer/Images

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Zig-Zag Territories ZZT313
erschienen in: das Orchester 04/2013 , Seite 73

Relativ wenig Neues hörte man in den vergangenen Jahren von der farbenreichen Musik Claude Debussys. Es musste erst sein 150. Geburtstag kommen, um den „Erfinder“ des musikalischen Impressionismus wieder ins Licht zu rücken – wenn hierzulande auch nur bescheiden und spät damit begonnen wurde. Ein Grund für die Bescheidenheit liegt im besonderen Maße wohl in der geringen Anzahl der nicht einmal zehn reinen Orchesterwerke. Das 1997 gegründete „Label mit dem Zebra“, wie seine Erfinder es nennen, spielte im Februar 2012 Debussys drei bekannteste sinfonische Dichtungen in chronologischer Folge ein: Prélude à l’après-midi d’un faune, La mer und die Images, an denen er bis 1915 schrieb.
Sehr klar, fein ziseliert und überaus plastisch kommen die hautnah wirkenden Einspielungen in bester 3-D-Aufnahmetechnik daher, so als säße der genießende Hörer selbst im Orchester. Auch an atmosphärischem Charme fehlt es nicht: weder im Prélude, wenn die Flöte und Harfe zu Beginn eine träumerische Aura erzeugen und im weiteren Verlauf Stéphane Mallarmés Gedicht leise zu sprechen beginnt, noch in den Images, wenn anfangs im Rondo der Frühlingsreigen anhebt, im mehrteiligen, ausgedehnten dritten Satz „Iberia“ die Kastagnetten spanisches Flair verbreiten oder im darauffolgenden, bezaubernden Satz das Parfum der Nacht beinahe den Raum erfüllt, die Nase fremd gehen möchte und scheinbar zu hören beginnt, um dann in einem nächtlichen Zauberspuk zu zerstäuben.
Zart und umsichtig sind hier die Musiker des belgischen Orchesters Anima Eterna aus Brügge mit Jos van Immerseel am Dirigentenpult zu Gange. Die kleinsten Regungen sind es, denen sie behutsam und liebevoll nachspüren, die fragilen Klänge behandeln sie wie eine strahlend blühende Mimose, ja, wie fein verästeltes Glas, und sie sind liebevoll und feinsinnig bis in die dunkelsten Winkel ausgeleuchtet, ohne freilich geschminkt zu wirken. Ebenso wagen sie in den ersten Takten von La mer kaum, den aufgehenden Glanz der rot leuchtenden Aurora zu verdunkeln, im bewegten Mittelsatz bringen sie weder das neckische Spiel des Wassers und die fein strukturierten Wellen durcheinander noch unterbrechen sie zuletzt im Finale die intime Zwiesprache von Wind und dem ewigen Meer.
Auf der einen Seite geht also wohl kaum eine Aufnahme so rücksichtsvoll und sanft mit der Musik des Franzosen um. Auf der anderen Seite spürt der Hörer auch die funkelnde Spielfreude und Interpretationslust, welchen der Aufnahme an Lebendigkeit in nichts nachstehen. Die Tempi sind bestens gewählt, kein Hetzen, kein Schleppen, sondern ehrlich nachempfunden und unaufdringlich. Das Stimmengeflecht der verschiedenen Blasinst­rumente, die eine wohltönende Koalition mit den homogen agierenden Streichern eingehen, wird in seiner sagenhaften Transparenz innerhalb des Orchesters in der Komplexität selbst ohne Partitur nachvollziehbar. Einziger Wermutstropfen: Das informative Booklet ist nur in französischer, englischer und niederländischer Sprache verfasst.
Werner Bodendorff