Elisabeth Richter
Prag: Blühend, aber vergessen
Das Projekt „musica non grata“ in Prag widmete sein erstes Festival Alexander Zemlinsky zum 150. Geburtstag
„Prag war ein Schmelztiegel in der internationalen Opernszene, und die drei Kulturen, es war ja eine jüdische, deutsche und tschechische Kultur gemeinsam, die standen in einer sehr interessanten und fruchtbaren Beziehung.“ Per Boye Hansens Augen funkeln, wenn er über die kulturell so blühende Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg spricht. Der Norweger ist seit 2019 Direktor der Staatsoper Prag und des Tschechischen Nationaltheaters. Beide bespielen auch das Ständetheater aus dem 18. Jahrhundert, wo einst Mozarts Don Giovanni uraufgeführt wurde. Hansen will diese in Tschechien vernachlässigte Kultur wieder ins Bewusstsein rücken. Erst wurde sie von den Nationalsozialisten zerstört, dann in kommunistischen Zeiten so gut wie ignoriert.
Als eine Maßnahme auf dem Weg zur Rehabilitation hat Per Boye Hansen gemeinsam mit dem Musikdirektor der Staatsoper Prag Karl-Heinz Steffens das Projekt „musica non grata“ ins Leben gerufen. Anlass war 2020 der 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Der Fokus soll auf die damals „unerwünschte Musik“ gelenkt werden, auf Musikerinnen und Musiker, die durch die Nationalsozialisten zum Schweigen gebracht wurden. Ihre Musik soll in dem zunächst auf vier Jahre angelegten Projekt an den Prager Opernhäusern in zahlreichen Programmen erklingen. Die Mittel werden u. a. vom deutschen Außenministerium zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2020 wurde der Start durch die Corona-Pandemie ausgebremst. Jetzt konnte aus Anlass des 150. Geburtstags von Alexander Zemlinsky ein erstes dreitägiges Festival stattfinden. Zemlinsky war 16 Jahre lang musikalisch-innovativer Direktor des Neuen Deutschen Theaters Prag, der heutigen Staatsoper Prag. Uraufführungen wie etwa Schönbergs Erwartung fanden unter seiner Leitung dort statt. Beim Festival „Zemlinsky 150“ konnte man sogar eine (konzertante) Uraufführung des Jubilars präsentieren: das Opernfragment Malva von 1912 nach Maxim Gorki.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2022.