Hannah Bregler

Prävention für Berufsmusiker:innen als Managementaufgabe

Was der Orchesterbetrieb vom Profisport lernen kann

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Grin
erschienen in: das Orchester 05/2022 , Seite 60

Auf den ersten Blick haben Musikbranche und Profisport nicht viel miteinander gemein. Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch mehr Gemeinsamkeiten finden als vermutet. So gehören Spitzenleistungen auf Abruf und ständiger Wettbewerb sowohl bei Musiker:innen als auch bei Sportler:innen zum Arbeitsalltag. Um die hohen Erwartungen zu erfüllen, werden körperliche Fitness und psycho-mentales Wohlbefinden benötigt.
Die Fagottistin und Buchautorin Hannah Bregler untersucht die Wechselwirkung von Gesundheitsprävention und Arbeitsleistung. Die Ähnlichkeiten und Problemfelder in Orchesterbetrieb und Profisport werden näher beleuchtet. Regelmäßiges Trainieren und Üben kann zu Erfolgen führen. Gemeinsam erlebt, stärken sie den Zusammenhalt eines Teams oder Ensembles. Anhaltender Stress hingegen kann die Arbeitsatmosphäre stören und die Leistungsfähigkeit herabsetzen. Körperliche Beschwerden können zum vorzeitigen Ende der Karriere führen.
Gesundheitliche Risiken im Orchesteralltag werden, anders als im Leistungssport, kaum thematisiert. Dort gibt es spezielle physiotherapeutische Angebote, um die Leistung von Profisportler:innen zu stabilisieren und zu optimieren. Bei Orchestermitgliedern variiert die Belastung je nach Dienst- und Spielplan. Ihr Leben ist von unregelmäßigen Arbeitszeiten, häufigem Reisen und ständiger Selbstkritik geprägt. Daher nutzen viele ihre Freizeit, um sich von dem stressigen Probenalltag und der einseitigen Musizierbewegung zu erholen.
Bisher halten nur wenige Mehrspartenhäuser berufsspezifisches Gesundheitscoaching oder Prävention bereit. Musikhochschulen zeigen ein ganz anderes Bild. Musik-physiologische Weiterbildung und musikermedizinische Betreuung gehören mittlerweile zum Standard. Verschiedene Studien belegen die musikerspezifische Arbeitsintensität, doch die Verbesserungsvorschläge werden selten aufgegriffen. Hier kann die Arbeit eines künftigen Orchestermanagements ansetzen. Die Kooperation zwischen den Orchestern und der Leitungsebene in Kulturinstitutionen kann ausgebaut werden, Musiker:innen können in die Entscheidungsprozesse zur Programmgestaltung und Dienstplanung miteinbezogen werden. Zwischen Orchesterleitung und Ensemble sollten ein regelmäßiges Feedback sowie eine transparente Kommunikation gepflegt werden.
Eine bedarfsgerechte Gesundheitsförderung kann die Zufriedenheit der Ensemblemitglieder steigern und das Musizieren auf höchstem Niveau begünstigen. Die Handlungsempfehlungen von Hannah Bregler sind praxisorientiert und gut nachvollziehbar, auch wenn die betriebswirtschaftliche Umsetzung sicherlich eine der größten Herausforderungen wäre. Eine schlüssige Argumentation und die Konzentration auf wesentliche Details kennzeichnen das klar strukturierte Buch. Wenn der Lesefluss nicht durch stellenweise holprige Formulierungen und Schachtelsätze gebremst werden würde, könnten die innovativen Ansätze noch überzeugender wirken.
Juliane Bally