Husmann, Mathias

Präludien fürs Publikum

99 Konzert- und Operneinführungen in aller Kürze

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Concerti, Hamburg 2017
erschienen in: das Orchester 06/2017 , Seite 60

Bei diesem Buch kommt es sehr darauf an, aus welcher Perspektive man die assoziationsreichen Gedanken des Autors – Husmann ist ein wortkluger Dirigent, Pianist, Komponist und eben auch Musikjournalist – liest und für sich positiv vereinnahmt. Er ist jedenfalls in erster Linie nicht scharfzüngiger oder ironisch argumentierender Kritiker, sondern ein einfühlsamer und professioneller Kenner der Musikgeschichte, der Komponisten und Werke einzuordnen weiß und sie für die Gegenwart meist aktuell und plausibel „aufbereitet“.
99 Konzert- und Operneinführungen des Concerti-Mitarbeiters sind in diesem Band versammelt, von Alban Bergs Violinkonzert bis zu Webers Freischütz, von Beethovens neun Symphonien bis zu Wagners Ring des Nibelungen oder Verdis Falstaff: knappe, aber sinnvolle Kommentare und Erläuterungen zu den Stücken und Tonschöpfern. Man könnte sie einerseits lesen als Musikfreund, der sich vorab über eine Komposition und deren historische Einordnung informieren will; oder aber als Orchester- oder Ensemblemitglied, das sich vor einer Einstudierung an ein paar Eckdaten und Eindrücken orientieren will; ebenso auch als Dirigent, der sich der Schwierigkeit oder der Schönheit eines Werks über die Partitur und deren Entstehung nähern will; als Musik(hoch)schul-Azubi, der eine Komposition von einer „anderen“, individuellen Seite her kennen lernen möchte; und schließlich auch als musikalisch und literarisch Gebildeter, der sich einem Kenner bei der Beurteilung anvertrauen will. Es gäbe allerdings bestimmt noch weitere Positionen, um sich mit Husmann und seinen Concerti-Texten zu befassen.
Die Art, wie Mathias Husmann in die mehr oder minder populären Kompositionen ab der Mozart-Ära (also ohne Renaissance- und Barockepoche) einführt, ist subjektiv, manchmal überraschend, aber immer geprägt vom persönlichen Zugang zu den Sinfonien und Konzerten, Opern und Musikdramen. Die Zeit vor Mozart blendet er ebenso aus (in diesem Band zumindest) wie die Moderne. Bei Béla Bartók ist Schluss mit dieser Übersicht.
Man muss nicht mit allem übereinstimmen, wie Husmann die Motive und ihre Verarbeitung bei den Tonschöpfern sieht und detailreich ordnet, aber man gewinnt schnell den Eindruck: Hier schreibt einer mit fachkundiger Kompetenz über das, was wir im Gesamteindruck „Klassik“ nennen. Und seine Liebe und Anerkennung sprechen praktisch aus jeder Zeile.
Sehr treffend und nachdrücklich fallen die Bemerkungen in Richtung der heutigen Aufführungspraxis aus. Und dabei findet man einen der schönsten Sätze in dieser Anthologie: „Die Eroica als utopische Sinfonie der demokratischen Gesellschaft zu denken“, sei verlockend, schreibt Husmann. Solche über den Tag hinausgreifende Wertungen bleiben nicht nur in diesem Fall bei der großen beeindruckenden Beethoven- Symphonie beim mitdenkenden Leser haften.
Jörg Loskill