Werke von Claudio Monteverdi, Henry Purcell, Antonio Vivaldi und anderen

Pop Songs

Jan Vogler (Violoncello), BBC Philharmonic, Ltg. Omer Meir Wellber

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Sony Classical
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 69

Es mag auf den ersten Blick gewagt erscheinen, ein Album, auf dem unter anderem Werke von Purcell, Rossini und Verdi versammelt sind, „Pop Songs“ zu nennen. Jan Vogler jedoch versteht den Begriff „Pop“ im ganz ursprünglichen Wortsinn: Gemeinsam mit dem BBC Philharmonic präsentiert der Cellist „populäre“ Kompositionen, also Stücke, die schon zu ihrer Entstehungszeit Ohrwürmer waren und es bis heute sind. Den Schwerpunkt bilden hierbei beliebte Opern­arien. Komplettiert werden diese durch Songs, die – wie das Booklet verrät – „im Hause Vogler regelmäßig im Radio laufen oder aus dem Plattenregal gezogen werden“.
Für Cello und Orchester arrangiert hat Vogler die Nummern größtenteils selbst, wobei zumeist auf das originale Orchestermaterial zurückgegriffen wird. Die Arrangements von It was a very good year, Still got the blues und Billie Jean hat Voglers Schulfreund Stefan Malzew beigesteuert. Auch der Dirigent Omer Meir Wellber war maßgeblich an der Zusammenstellung und natürlich an der frischen Interpretation der Stücke beteiligt.
Dass das Cello der menschlichen Stimme klanglich sehr nahekommt, ist bekannt. Entsprechend gut funktioniert es, das Instrument in Arien wie When I am laid in earth von Purcell, Casta diva von Bellini oder La fleur que tu m’avais jetée von Bizet die Vokalparts übernehmen zu lassen. Mitunter ist das Cello aufgrund seines Tonumfangs der Originalbesetzung gegenüber sogar im Vorteil, etwa in dem Trinklied Libiamo ne’ lieti calici aus La Traviata, wo es problemlos zwischen Tenor- und Sopranstimme hin- und herwechseln kann.
Jan Vogler genießt es hörbar, seine Lieblingsmelodien zu spielen. An vielen Stellen, etwa beim traurig-sanft gehauchten „Remember me“ der Dido, liegt die Vorstellung nahe, dass er innerlich mitsingt. Das Orchester lässt keinen Zweifel daran, dass es Voglers Opernbegeisterung teilt, wenn es den Solisten beispielsweise in Largo al factotum aus dem Barbier von Sevilla überaus gut gelaunt begleitet oder in Vedrò con mio diletto aus Vivaldis Giustino so synchron und zuverlässig hinter ihm steht wie ein Uhrwerk. In Pur ti miro aus L’incoronazione di Poppea von Monteverdi greift der Dirigent selbst zum Akkordeon, um das bekannte Liebesduett gemeinsam mit Vogler in neuen, ungewöhnlich schlichten Klangfarben erstrahlen zu lassen.
Das Konzept „Cello statt Sänger/-in“ geht auch in den zeitgenössischen Nummern bestens auf. Die Aufnahme von Gary Moores Still got the blues bringt Voglers Ton besonders gut zur Geltung. Und der Klassiker It was a very good year mutet bei ihm mindestens so charismatisch an wie bei Frank Sinatra. Ein weiteres Highlight: der Beatles-Song Golden slumbers, der ohne Schlagzeug eine ganz unerwartete, berührende Wirkung entfaltet. Lediglich der letzte Track, Billie Jean von Michael Jackson, klingt seltsamerweise ein wenig angestrengt. Vielleicht hätte in diesem Fall eine noch präsentere Rhythmusgruppe für einen Hauch „Coolness“ gesorgt?
Insgesamt ein schönes Album für opernbegeisterte Cellofans.
Julia Hartel