Peter Tschaikowsky
Pique Dame
The Israel Philharmonic Orchestra, Ltg. Vladimir Jurowski
„Ich schrieb Pique Dame
mit unerhörtem Feuer […]; mit schmerzlicher Anteilnahme durchlebte ich immer wieder die gesamte Opernhandlung. Das ging so weit, dass ich eine zeitlang befürchtete, das Gespenst der Pique Dame könnte mir erscheinen“, so Tschaikowsky an Romanov 1890. Es mangelt zwar weder an guten alten noch an spannenden neuen Aufnahmen dieser Oper, die Tschaikowsky nach eigenem Bekunden mehr am Herzen lag als sein Onegin. Trotzdem bietet Pique Dame immer wieder das ganze Spektrum von interessanten Rollenporträts. Bei der vorliegenden CD handelt es sich um Livemitschnitte von Konzerten des Israel Philharmonic Orchestra aus Tel Aviv aus dem Jahr 2012, die Helicon Classics, das hauseigene Label, 2015 veröffentlicht hatte.
Die Besetzung der Männerrollen ist durchweg hörenswert. Sergej Leiferkus ist ohnehin eine Legende – die Partie des Tomsky, auch auf anderen Einspielungen dokumentiert, war eine seiner Paraderollen. Oleg Kulko als Hermann ist seit über 20 Jahren Mitglied des Bolschoi-Ensembles und weltweit gefragt. Albert Schagidullin, einer der profiliertesten Sänger im Baritonfach, singt den Jelitzky (und seine Arie im 2. Akt sehr schön), und Viacheslav Voynarovskiy ist als Chekalinsky zu hören.
Puschkins Novelle hatte Tschaikowskys Bruder zum Libretto umgearbeitet. Die alte Gräfin hütet das Geheimnis dreier Karten. Diese brächten Reichtum, ihr aber auch den Tod. Verwoben darin ist die tragische Geschichte von Hermann und Lisa. Lisa, Enkelin der Gräfin, ist mit Jelitzky verlobt, entflammt aber für den jungen und eher mittellosen Offizier Hermann. Die Partie der Gräfin ist eine der interessantesten Charakterrollen der Opernliteratur, und Nina Romanova, einer der großen Mezzosopranistinnen der 1980er und 1990er Jahre, gestaltet sie eher mit Schönklang als mit dem oft so schön-schauerlichen Hauch von fahlen und gespenstischen Klängen. In der Rolle der Lisa gibt es überzeugendere Versionen als die solide von Karina Flores.
Der Chor ist in Pique Dame nicht so prominent wie im Onegin. Dem Gary Bertini Choir, dem Konzertchor des Israel Philharmonic Orchestra, fehlt vielleicht etwas der operntypische Klangsinn. Vor allem die Chorpassagen zu Beginn klingen, als wären die Mikrofone sehr nah an den Sängerinnen und Sängern positioniert gewesen. Damit wirken die Stimmen dort vereinzelt, wo es eines homogeneren Chorklangs bedürfte.
Tschaikowsky verlegt Puschkins Handlung ans Ende des 18. Jahrhunderts, zitiert Mozart und eine Arie von Grétry. Vladimir Jurowski folgt diesen klassizistschen Anklängen. Das Orchester bietet dabei schöne Instrumentalsoli und einen feinen und durchhörbaren Klang. Stärke hat diese Aufnahme eher in den lyrischen Stellen. Der dritte Akt bietet dann auch dramatische Verve.
Im Booklet findet man zwar nicht das Libretto, aber einen lesenswerten Text zur Oper und ausführliche Informationen zu den Mitwirkenden.
Gernot Wojnarowicz