Mussorgsky, Modest

Pictures at an Exhibition

Rubrik: CDs
Verlag/Label: ATS Records CD-0751
erschienen in: das Orchester 06/2012 , Seite 75

Ein verlockendes und gewagtes Unterfangen zugleich, Mussorgskys Bilder einer Ausstellung in ein bluesgestricktes Jazzgewand zu stecken: Der Vibrafonist und Komponist Friedrich „Flip“ Philipp-Pesendorfer, Jahrgang 1969, schrieb sämtliche Arrangements für dieses CD-Projekt und holte auch zwei Wagner’sche Piècen mit hinein, die mich mit ihren klanglichen und rhythmischen Wechselspielen weit genüsslicher aufhorchen ließen als die übrigen 16 Mussorgsky-Anlehnungen.
Blues for Tannhäuser ist ein Konglomerat aus spritziger Farbigkeit und leichtfüßiger Eloquenz, pointierten Leuchtakzenten und zart schmelzenden Elegien mit einer Prise Augenzwinkern. Auch in Jammin’ Rienzi fügen sich Wagner, Swing, Blues, Jazz und „Flipp“ überraschend harmonisch ineinander.
Im aufwändig gestalteten Booklet, das neben Infos über die Künstler aus den Darstellungen zehn großflächiger Siebdrucke der Malerin Evelyn Grill besteht, die damit Mussorgskys Komposition bildhaft umsetzt, spricht Flip Philipp über seine Herangehensweise und Intention als Arrangeur: Die Inspiration für seine Version der Bilder einer Ausstellung holte Flip sich während der eingehenden Beschäftigung mit Duke Ellington, wobei er die originale Klavierversion von Mussorgsky „schnell aus meinem Gedächtnis löschen musste, um neue Wege für meine Interpretation zu finden“. Als Basis diente ihm hierbei der Blues als Knotenpunkt zwischen Tradition und Moderne. Flip verknüpfte Mussorgsky und Jazz, die Musiker des Vienna Symphony Jazz Project verbanden die einwandfreie Interpretation des Arrangements mit improvisatorischer Freiheit.
„Interpretatorische Freiheit bildet die Basis und die Grundidee unseres Ensembles […] Jeder Musiker in einem Symphonieorchester ordnet sich dem Dirigenten, der akribischen Wiedergabe des musikalischen Textes und den Anweisungen des Komponisten unter und verzichtet in der Regel auf seine persönliche Version, eine Melodie zu gestalten […] Ich versuche meinen Mitmusikern in unserem Projekt diese Originalität und den Mut zu eigenständigem Sound zurückzugeben.“
Dieses Anliegen darf mit Sicherheit als geglückt festgestellt werden. Dennoch möchte ich das Endergebnis vorliegender Bemühungen als fraglich bewerten, nachdem die einzelnen Sätze in einer vorherrschenden Grundtonart um ein wiederholt wiederkehrendes Hauptthema kreisen
und nicht genügend harmonisches Material liefern, um in vorherrschen-
der Bläsersatz-Grundklanglichkeit erfrischende Neu-Belebung zu erfahren. Selbst wenn das Vienna Symphony Jazz Project klanglich wie interpretatorisch auf höchstem Niveau musiziert und man dieser Glanzleistung gerne lauscht, so ist doch die hier kreierte Musiksprache zu anspruchsvoll, um diese Einspielung als interessante Klangkulisse nebenher laufen zu lassen. Um sich allerdings mehr als ein Mal eingängig und ausschließlich damit zu befassen, gibt sie zu wenig her.
Kathrin Feldmann