Florentine Mulsant, Lowell Liebermann, Joachim Andersen und andere
Piccolo Concertos
Jean-Louis Beaumadier (Piccolo), Prague Symphony Orchestra, Ltg. Vahan Mardirossian
Die Piccoloflöte gilt als eines der lautesten nicht-elektronischen Musikinstrumente überhaupt, und wer sich an sein „erstes Mal“ auf dem zierlichen Instrument zurückerinnert, wird sicher auch das Erschrecken über die fürchterlich lauten und wohl eher selten gleich schönen, sondern vielmehr unschön schrillen Töne nicht vergessen haben. In der Orchesterliteratur denken wir an die glanzvollen Parallelführungen, die den Streichern die funkelnden Diamantimpulse auf den warmen Klang setzen, denken an virtuoses Flirren gleich den Schwingen nervöser Kolibris, aber im ersten Moment denken wir sicher nicht an facettenreiches Farbenfunkeln.
Eines Besseren belehrt wird die Musikliebhaberin durch die scheinbar unendlichen Nuancierungsmöglichkeiten, die der renommierte Rampal-Schüler Jean-Louis Beaumadier seinem Instrument zu entlocken weiß: Gerade im 20. Jahrhundert und durch Komponisten unserer Tage erhält die Piccoloflöte glanzvolle Konzertauftritte, die faszinieren und auch noch den letzten Rest von ehemaliger Militärpfeifenassoziation vergessen lassen.
Auf der vorliegenden CD hat Beaumadier ausschließlich Originalkonzerte für Piccolo und Orchester eingespielt, die ausnahmslos faszinierend und von berückender Expressivität sind. Wir dürfen die hochpoetische Klangkunst von Florentine Mulsant kennenlernen, die ihr Konzert für Piccolo 2017 Beaumadier widmete; Lowell Liebermanns melodramatischen und hochvirtuosen Zugang im Dialog Solo-Orchester; Carl Joachim Andersens virtuoses Feuerwerk. Als liebenswert-persönliches Klangwunderwerk ist das Kilumac-Concertino op. 36 von Véronique Poltz Beaumadier gewidmet ebenso wie Régis Campos Touch the sky (2019), dessen visionäre Grundlage die
Inspiration des Blicks aus einem Flugzeug ist. Die daraus resultierende poetische Inspiration wandelt Beaumadier in berückende Klangmomente um, die ungeahnte Facetten seines Instruments zeigen. Jean-Michel Damases letztes vollendetes Werk wurde ebenfalls Beaumadier gewidmet – auch hier erleben wir die denkbar faszinierendste kompositorische Auslotung spieltechnischer Möglichkeiten des Piccolos.
Diese CD ist eine spiel- und kompositionstechnische „State of the Art“-Aufnahme, die einen Referenzpunkt in der Piccolokonzertliteratur bilden wird und zugleich in überaus beglückender Form den Horizont für zeitgenössische Konzertliteratur eines bemerkenswert wandlungsfähigen Instruments erweitert. Das Prager Radiosymphonieorchester unter der Leitung von Vahan Mardirossian ist Jean-Louis Beaumadier ein kongenialer Spielpartner in dieser exemplarisch faszinierenden Einspielung.
Christina Humenberger