Kagel, Mauricio
Piano Trios I bis III
Wo bleibt der heilsame Schock, der theatralische Spaß, der multimediale Zirkus? Nichts (oder kaum) ist davon zu hören in den drei Trio-Kompositionen (für Violine, Cello, Klavier) des Musikclowns Mauricio Kagel (1931-2008). Man hat immer wieder versucht und das ist wohl auch typisch deutsch , diesen Komponisten in eine Schublade zu verfrachten. Einmal wider den Konservatismus, immer gegen die Rituale und Muster des klassischen Betriebs. Nein, diese drei Werke aus einem Zeitraum von über 20 Jahren schildern eine andere Welt, fern von neckischem Ulk und weit weg vom fröhlichen Un-Sinn eines archaischen Musikmachers und Klangmagiers.
Trio I, drei Sätze, entstand 1984/85; Trio II, einsätzig, wurde 2001 unter dem Eindruck der New Yorker Terror-Katastrophe geschrieben; Trio III, zweisätzig, zeigt Kagels leidenschaftliches Engagement kurz vor seinem Tod es bündelt gewissermaßen die Extravaganz und den Aufrüttel-Impuls des Kölner Professors. Aber in ihrem kompromisslosen Furor, gepaart mit dämonischer Maske, witziger Aleatorik, nickliger Verwicklung oder auch grimmiger Attacke, bilden sie eine durchaus nachvollziehbare Entwicklung bis hin zur Ausweglosigkeit in einer noch tonalen Landschaft.
Abschied nimmt Mauricio Kagel aber komplett von der theatralischen Aktion, die er so oft ausprobierte und in bitterböse, letztlich aber erheiternde Schabernack-Regionen trieb. Es agieren die drei Interpreten auch mal in absurd-komischer Handhabung ihrer Instrumente, aber insgesamt im klassischen Prozess. Kagel bekennt sich damit letztlich zur Tradition und deren Praxis auf dem Konzertpodium. Vielleicht, um das Schmerzvolle, das Memento Mori, den Abgesang auf das Menschenlabor unserer Erde zu betonen? Das jedenfalls klingt aus diesen fast 80 Musikminuten heraus. Der argentinisch-deutsche Komponist bekennt sich also zum Mit-, zuweilen auch gewollten Durcheinander dreier exzellenter Interpreten, die er an die instrumentalen, auch virtuosen Grenzen heranführt. Geerbtes Material neu anzuleuchten, war ihm eine zentrale Aufgabe, gerade in diesen Trios.
Trio I ist im Verhältnis zu den beiden anderen Stücken noch das friedlichste, aber auch nicht harmlos; Trio II stellt die Fassungslosigkeit und den Schock angesichts der Flugzeugabstürze gegen die Türme des World Trade Center mit fatalen Todesfolgen aus das Ergebnis ist eine substanzreiche Trauermusik; Trio III schöpft noch einmal nahezu alle Klangfacetten dieser Besetzung aus auf dem Fundament der schmerzlichen Erkenntnis für ein Requiem, das die Register zwischen allgemeiner Melancholie und individuellem Aufschrei auslotet.
An dem akzentuierten Spiel von Gergana Gergova (Violine), Thomas Kaufmann (Cello) und Pavlin Nechev (Klavier) ist nichts auszusetzen im Gegenteil: Man bewundert das Trio Imàge für sein inneres Beteiligtsein, für die Artikulation der Deutlichkeit und für seine technische Kompetenz. Da wird nichts geschönt, nichts romantisiert, nichts zur faden Geste. Alles hat seine Richtigkeit, jede Note ist ein Aufmerksamkeitspunkt. Mauricio Kagels schwieriges Trio-Erbe könnte nicht besser, aber besessen von der Musikdynamik vermittelt werden.
Jörg Loskill