Saint-Saëns, Camille
Piano Quintet / String Quartet No. 1
Andrea Luccesini (Klavier), Quartetto di Cremona
Aus dem reichen Schaffen von Camille Saint-Saëns sind nur einige Werke wie der vom Komponisten nicht sonderlich geschätzte Karneval der Tiere, die Orgelsinfonie, das 3. Violinkonzert, das 1. Cellokonzert oder das zweite seiner fünf Klavierkonzerte im Konzertrepertoire fest verankert. Seine Kammermusik, die einen beachtlichen Teil seines uvres ausmacht und von Saint-Saëns hoch eingeschätzt wurde, taucht höchst selten auf den Konzertprogrammen auf.
Das Quartetto di Cremona und der großartige Pianist Andrea Luccesini stellen ein Werk des noch jugendlichen Komponisten, das Klavierquintett, dem reifen Streichquartett op. 112 gegenüber. Wobei schon das frühe Werk, 1855 vom 20-jährigen Saint-Saëns komponiert, von dessen großem Talent zeugt und zudem über dessen schon zu dieser Zeit ausgeprägte kompositionstechnischen Kenntnisse Auskunft gibt. Die klanglich sehr überzeugende Aufnahme präsentiert den dritten Satz mit der vom Komponisten ad libitum komponierten Kontrabassstimme (von Andrea Lumachi gespielt), wozu der ansonsten informative Booklettext leider keine Angaben macht. Dem höchst virtuosen Klavierpart Saint-Saëns war bis ins hohe Alter ein gefeierter Pianist werden die Streicher gegenübergestellt, wobei trotz der etwas dominanten Rolle des Klaviers, das schon konzertante Züge trägt, das Quartett mehr als nur begleitende Funktion hat. Formal hat sich der junge Saint-Saëns von Schubert, Schumann und Mendelssohn Bartholdy inspirieren lassen, ohne die eigene Handschrift zu unterdrücken.
Andrea Luccesini kostet den ebenso anspruchsvollen wie wirkungsvollen Klavierpart mit Feuer aus, ohne dabei die Kommunikation mit dem spannungsreich musizierenden Quartetto di Cremona (Cristiano Gualco, Paolo Andreoli, Simone Gramaglia und Giovanni Scaglione) zu vernachlässigen. Die Streicher bilden mit ihrem farbenreich-aufblühenden Spiel ein nahezu ideales Gegengewicht zur virtuosen Wucht des Pianisten.
Das e-Moll-Streichquartett, das erste Quartett des Komponisten, ist das erste seiner Kammermusikwerke ohne Klavier und entstand 1899 auf Wunsch des großen Geigers und bedeutenden Komponisten Eugène Ysaÿe. Es ist trotz beachtlicher Ansprüche an die Streicher nie vordergründig virtuos. Schon die harmonisch schweifenden Takte der Einleitung lassen aufhorchen. Das Quartetto di Cremona geht das unterschätzte und kontrastreiche Werk mit voller Tongebung und feinen Nuancen an. Dabei finden die Streicher zu einer immer mehr die Konturen schärfenden Sicht auf das viersätzige e-Moll-Quartett. Die Vehemenz und der Nachdruck, mit dem das Quartett um den Primarius Cristiano Gualco agiert, ist beachtlich. Erfreulich, dass trotz des kraftvollen Spiels Transparenz und die klangliche Geschmeidigkeit nicht auf der Strecke bleiben. Nach dem ausladenden Kopfsatz finden die Musiker bei den Mittelsätzen zu einer zwischen Gespanntheit und ansprechender Verinnerlichung changierenden Haltung. Ein mehr als lohnender Einsatz für zwei Werke, die man gerne häufiger im Konzertsaal hören würde.
Walter Schneckenburger