Sergej Rachmaninow

Piano Concertos Nos. 2 & 3

Anna Fedorova (Klavier), Nordwestdeutsche Philharmonie, Ltg. Laércio Diniz und Gerard Oskamp

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Brillant Classics
erschienen in: das Orchester 10/2024 , Seite 73

Diese CD mit Sergej Rachmaninows zweitem und drittem Klavierkonzert, eingespielt von der ukrainischen Pianistin Anna Fedorova und der Nordwestdeutschen Philharmonie mit Sitz in Herford, wirft Fragen auf. Warum erscheint sie ausgerechnet jetzt? Und sind nicht schon genügend gute Aufnahmen auf dem Markt?
Dazu ein paar erstaunliche Fakten: Anna Fedorova, Jahrgang 1990, hat bereits vor elf Jahren das zweite Rachmaninow-Konzert mit der Nordwestdeutschen Philharmonie im Concertgebouw Amsterdam aufgenommen – zu sehen in einem Video, das auf Youtube (auf der Plattform Avrotros Klassiek) seither unfassbare 42 Millionen Mal angesehen wurde. Wir haben es also, und zwar nicht zuletzt, mit einem Medienphänomen zu tun. 2014 entstand eine weitere Aufnahme des gleichen Werks, dirigiert von Laércio Diniz, die dann 2015 auf CD erschien und nun vom holländischen Label Brillant Classics wieder aufgelegt wurde. Beide Versionen sind auf Spotify verfügbar. Zudem hat Anna Fedorova das Konzert auch noch mit dem Sinfonieorchester St. Gallen aufgenommen. Das entbehrt nicht einer gewissen Redundanz, die sich finanziell aber zu lohnen scheint.
Auch das dritte Klavierkonzert hat Fedorova mehrfach aufgenommen; immerhin wurde die nun vorliegende Einspielung aus dem Jahr 2016 unter Leitung von Gerard Oskamp (soweit sich das anhand der Internetrecherche sagen lässt) noch nicht an anderer Stelle veröffentlicht. Es verwundert freilich, dass für das Booklet die Bilder von vor zehn Jahren verwendet wurden. Da war die Pianistin 24 Jahre alt. Ebenso erstaunlich: Es gibt nur englische Texte. Das mag zur Strategie von Brillant Classics für den internationalen Markt gehören, wirkt jedoch etwas lieblos.
Aber es gibt auch Schönes zu schreiben: von Anna Fedorova, die mit ihrem Mann und ihren geflüchteten Eltern in Amsterdam lebt, die sich seit Beginn der russischen Invasion aufopferungsvoll für ihre ukrainische Heimat einsetzt und viele Benefizkonzerte gibt. Neben dem großen Standardrepertoire hat sie auch viel unbekannte Kammermusik aufgenommen. Und: Musikalisch sind die vorliegenden Einspielungen gelungen, vor allem die des dritten Konzerts. Die Nordwestdeutsche Philharmonie präsentiert sich mit Dirigent Gerard Oskamp darin ausgewogen, mit warmem Klang, nie schwülstig und als souveräner Partner.
Fedorova findet in ihren Interpretationen die richtige Balance zwischen zupackender Impulsivität und Größe, lässt aber nie Klarheit und Durchsichtigkeit vermissen, spielt technisch herausragend, zugleich höchst empfindsam und mit tiefer Sinnlichkeit. Der emotional und kräftemäßig besonders herausfordernde erste Satz im Konzert Nr. 3 gelingt großartig, anrührend und aufwühlend der zweite – nur der letzte ist im Orchester manchmal etwas übersteuert.
Johannes Killyen