Rachmaninov, Sergej
Piano Concertos 1-4 / Rhapsody on a Theme of Paganini
Lise de la Salle (Klavier), Philharmonia Zürich, Ltg. Fabio Luisi
Ein Blick in das Werkverzeichnis Sergej Rachmaninows zeigt, welch zentrale Rolle für ihn die Gattung des Klavierkonzerts gespielt hat: Vom Opus 1 des 17-jährigen Moskauer Studenten bis zur drittletzten Opuszahl 43, der 1934 am Vierwaldstättersee geschriebenen Paganini-Rhapsodie, entstanden fünf Konzertwerke, die heute hinsichtlich weltweiter Aufführungshäufigkeit bzw. Publikumsresonanz als sein Hauptschaffen gelten dürfen. Die Zahl der seit Rachmaninows eigenen Einspielungen ab 1924 entstandenen Tonträger spiegelt diese Einschätzung wider, darunter Gesamteinspielungen von Vladimir Ashkenazy (1971, 1984), Rafael Orozco (1993), Bernd Glemser (1996), Kun-Woo Paik (1998), Simon Trpceski (2011) und Valentina Lisitsa (2012); dazu kaum noch überschaubare Einzeleinspielungen mit Spitzenleistungen u.a. von Byron Janis, Swjatoslaw Richter, Jorge Bolet, Vladimir Horowitz, Philippe Entremont und Arturo Benedetti Michelangeli.
In dieser pianistischen Löwengrube schlägt sich die 1988 geborene Französin Lise de la Salle, Meisterschülerin von Bruno Rigutto am Pariser Conservatoire, auf sehr respektable Weise. In ihrer Saison als Artist in Residence am Opernhaus Zürich spielte sie 2013/14 alle fünf Werke, und im Zusammenhang mit diesen Aufführungen entstand die vorliegende Gesamtaufnahme. Lise de la Salles eher heller Klavierton, der brachiale Klangexzesse meidet, bekommt vor allem den motorisch-luziden Finalsätzen des 1. und 4. Konzerts sowie der gesamten Paganini-Rhapsodie sehr gut; immer hört sie äußerst reaktionsschnell in das orchestrale Geschehen hinein und erleichert dergestalt die Koordinationsprobleme zwischen Klavier und Orchester merklich. Manche lyrischen Höhepunkte (Kopfthema des ersten Satzes aus Opus 1, Des-Dur-Variation aus Opus 43) lässt sie auf überzeugende Weise singen, und auch die gefürchteten akkordischen Parforce-
touren etwa in der Kadenz des ersten oder im Finale des dritten Konzerts meistert sie gekonnt, allerdings mit vergleichsweise vorsichtigen Tempi und wenig dynamischer Flexibilität im Fortissimo.
Die Philharmonia Zürich leistet vor allem im Bläserbereich vorzügliche Arbeit, die rhythmische Verzahnung mit den Streichern und dem Soloklavier ist meist mustergültig. Der Streicherklang wirkt leider etwas beengt, mitunter topfig. Fabio Luisi scheint zudem seinen Streichern eine Vibrato-Zurückhaltung aufzuerlegen, die der sinfonischen Größe von Rachmaninows Orchestergesten nicht immer gerecht wird; die wunderbare Einleitung zum langsamen Satz des dritten Konzerts, recht geradeaus und rubato-arm gespielt, bekommt so einen etwas biederen Anstrich. Der Booklet-Essay von Volker Hagedorn Vom Blockbuster zur Dekonstruktion rundet die insgesamt erfreuliche Editon auf originelle Weise ab.
Rainer Klaas