Ludwig van Beethoven

Piano Concertos 0–7

Michael Korstick (Klavier), Ltg. Constantin Trinks, ORF Vienna Radio Symphony Orchestra

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: cpo
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 68

Als Michael Korstick die Gesamtsicht auf alle Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven bei Oehms zwischen 2004 und 2011 veröffentlichte, war die Begeisterung der Fachpresse enorm, Joachim Kaiser lobte sein Beethovenspiel geradezu überschwänglich. Nun hat der 1955 in Köln geborene Pianist seine langjährige intensive Beschäftigung mit den Klavierkonzerten des Wiener Klassikers zur Grundlage einer CD-Einspielung aller Werke Beethovens für Klavier und Orchester gemacht – gemeinsam mit dem Dirigenten Constantin Trinks und dem flexiblen ORF Vienna Radio Symphony Orchestra unter dem etwas irritierenden Titel Klavierkonzerte 0–7. Neben den ansonsten offiziell gezählten fünf Klavierkonzerten hat der Pianist sich auch des frühen Klavierkonzerts Nr. 0 in Es-Dur WoO 4 in einer neuen Instrumentation von Hermann Dechant, der Klavierfassung des Violinkonzerts (hier als Konzert Nr. 7 gezählt) sowie des einsätzig-fragmentarischen Konzerts Nr. 6 (1814/15) und des B-Dur Rondos WoO 6 angenommen.
Auch wenn kein Mangel an hervorragenden Einspielungen zumindest der Konzerte 1 bis 5 herrscht – von Gilels, Gulda, Pollini oder Zimerman, um nur einige der Markantesten zu nennen –, so kann doch Korstick ebenso wie bei den Klaviersonaten Beethovens auf Anhieb einen Spitzenplatz für sich reklamieren. Es gibt kaum eine Einspielung, die einerseits den Notentext so genau und nuanciert umsetzt und zugleich immer wieder neue überraschende Einsichten im Detail offerieren kann. Besonders bei den an Beethovens Vorgaben orientierten schnellen Sätzen ist Korsticks Zugriff ungemein virtuos und markant. Nicht nur bei den Werken des jungen Beethoven ist in jedem Takt der ausdrucksfreudige Feuerkopf zu hören. Auch den sehr klar und mit ungemein differenziertem Pedalgebrauch gespielten langsamen Sätze verleiht der Pianist viel Tiefe ohne romantische Verzeichnung – exemplarisch sei hier das Largo des C-Dur Konzerts genannt. Gelegentlich treibt er den Steinway fast an die Grenzen seiner klanglichen Möglichkeiten, wirkt sein Spiel bei aller Kontrolle fast brachial. Es ist nie blanke Routine in diesem stets gespannten, das Besondere der Konzerte betonenden Ansatz zu hören.
Korstick präsentiert auch die Klavierfassung des Violinkonzerts als genuines Klavierkonzert, wobei er die ausladenden Kadenzen ungemein virtuos zuspitzt. Ebenso spielt er die pianistische Wirkungskraft des frühen Es-Dur-Konzerts WoO 4 mit bezwingendem manuellem Feinschliff aus. Constantin Trinks am Pult des sehr schlank und agil musizierenden ORF Radio-Symphonieorchesters Wien ist ihm da ein gleichgestimmter Partner, der auch dank gelegentlich klanggeschärfter Bläser und der vorantreibenden Tempi den Intentionen des Pianisten folgt. Die auf Räumlichkeit und klare instrumentale Zeichnung setzende Aufnahmetechnik unterstützt dies auf hohem Niveau.
Thomas Weiss