Dmitri Schostakowitsch/ Wolfgang Amadeus Mozart
Piano Concerto op. 35/ Piano Concerto KV 453
Evgeni Bozhanov (Klavier), Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Radoslaw Szulc
Ivo Pogorelich war einer jener Pianisten, die den Warschauer Chopin-Wettbewerb nicht gewannen, aber eben dadurch berühmt wurden. Ähnliches ereignete sich dreißig Jahre später im Oktober 2010: Obwohl er vom Publikum favorisiert wurde, erhielt der 1984 geborene bulgarische Pianist Evgeni Bozhanov nicht den ersten Preis des Wettbewerbs zugesprochen. Die folgenden kontroversen Diskussionen über diese skandalumwitterte Entscheidung gaben seiner Karriere aber erst recht Aufwind. Es folgten Einladungen zu Konzerten und Tourneen durch Europa und Asien zusammen mit renommierten Orchestern und Dirigenten.
Auf der vorliegenden CD-Neuveröffentlichung präsentiert sich Bozhanov zusammen mit dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Radoslaw Szulc als Solist in zwei konträren Kompositionen: zum einen in Mozarts einen Gipfelpunkt des klassischen Klavierkonzerts bildenden G-Dur-Werk KV 453, zum anderen in Schostakowitschs ironisch-frechem, neoklassizistisch angehauchten op. 35.
Dass Mozarts G-Dur-Konzert in dieser Aufnahme aus dem Münchner Prinzregententheater weit mehr ist als gut abgehangener Kulturbesitz, sondern springlebendig wirkt, dafür sorgt schon das mit dem Solisten dialogisierende Kammerorchester, das Mozarts Musik einen Ton schwebender Grazie verleiht, der über alle Moll-Verschattungen und dramatischen Einsprengsel als Grundcharakter vorherrscht. Nicht weniger frisch gestaltet Bozhanov seinen Part: mit einem dynamisch perfekt ausbalancierten Non-Legato-Spiel und viel Sinn für die dramaturgischen Umschwünge in Mozarts oft theaternaher Musik. Freizügig geht er mit dem Notentext um. Er bereichert das Andante mit allerhand Verzierungen und Kolorierungen und ist auch bei den Orchesterexpositionen und manchen Tutti-Abschnitten präsent: nicht nur die Harmonien verstärkend im Sinne der alten Generalbasspraxis, sondern mit mancher die Orchesterstimmen kontrapunktierender Ergänzung.
Schostakowitschs erstes Klavierkonzert in c-Moll op. 35 aus dem Jahr 1933 zeigt seinen Komponisten im Stadium unbefangenen, angstfreien jugendlichen Experimentierens – noch hatten die stalinistischen Säuberungen nicht eingesetzt und noch herrschte nicht das Stil-Diktat des „sozialistischen Realismus“. Was in der Komposition bereits angelegt ist, treibt die Interpretation auf die Spitze. C-Moll-Pathos wird bedeutungsschwanger in Szene gesetzt, um gleich darauf geradezu in eine Zirkusmusik umzukippen, Tastenlöwen-Gedonner und übertriebenes Rubato-Spiel werden auf die Schippe genommen und persifliert. Dass das Ganze so hübsch ironisch daherkommt, ist aber auch Verdienst des zweiten Solisten in diesem Konzert, des Trompeters Hannes Läubin, dessen Spiel wunderbar zwischen Fanfarengeschmetter und schmalzig-schmachtender Melodik changiert.
Gerhard Dietel