Beethoven, Ludwig van

Piano Concerto No. 3. op. 111 & Moonlight Sonatas

Rubrik: CDs
Verlag/Label: naïve V 5347
erschienen in: das Orchester 09/2014 , Seite 80

Eine entschlackte Version des c-Moll-Konzerts von Beethoven scheint den Interpreten dieser CD vorgeschwebt zu haben, frei von klischeehaftem Pathos oder frühromantischer Gefühlsbetonung. Dies gelingt der Anfang 2013 in der Frankfurter Alten Oper entstandenen Aufnahme insoweit, als die Tempi der Ecksätze rasch genommen werden, im ersten Satz klar auf rubatofreies Alla breve angelegt, und ohne harmonisch feinsinnigen Übergängen besonderen agogischen Nachdruck zu verleihen – das dritte als klassizistische Fortschreibung der ersten beiden Konzerte Beethovens, ein durchaus erwägenswerter Ansatz.
Leider verhindern aber allzu viele handwerkliche Mängel einen wirklichen Hörgenuss. Gleich im ersten Klaviereinsatz, dort, wo thematische Grundidee und interpretatorische Deutung optimal ineinander verschmelzen müssten, zieht Fazil Say unverständlicherweise das Tempo unter das der Orchestereinleitung und das nachfolgende Grundtempo zurück. An vielen späteren Stellen „peitscht“ er dagegen mit starken, bei Beethoven nicht vorgesehenen Takt-Akzenten das Tempo an; die dadurch aufkommende Hektik steht einem fließenden Musizieren mit weit gespannten Bögen entgegen. Hinzu kommt die unglückliche Neigung des Solisten, fast alle Phrasenenden im Übergang zu Orchestereinsätzen durch ein unmotiviertes Crescendo zu verdicken.
Im langsamen Satz stören unraffiniert-ungleichzeitig angeschlagene Akkorde, ein falsch gelesener Ton (Takt 26 auf Eins verlangt Beethoven e, nicht eis), ab Takt 30 ein willkürliches Accelerando mit ungenauem Uni-
sono beider Hände und schließlich, gegen Ende, eine Kadenz, in der die differenzierten rhythmischen Vorgaben des Komponisten weitgehend ignoriert werden. Im Rondo-Thema betont Say zu Ungunsten zwei- und viertaktiger Phrasen fast jeden Takt überdeutlich auf der Eins, übergeht andererseits aber manche der originalen Beethoven’schen Sforzati.
Als Ersteinspielung ist bei alledem gleichwohl die bereits vor einigen Jahren bei Schott veröffentlichte Say’sche Kadenz zum ersten Satz hörenswert: langes Verweilen in der Grundtonart, am Ende eine verblüffende Spieluhrenvariante der Hauptthemen in as-Moll/As-Dur.
Insgesamt authentischer und besser vorbereitet als das Klavierkonzert wirkt die Ende 2013 in Istanbul aufgenomme c-Moll-Sonate op. 111. In den Abgründen des Kopfsatzes wie in den fragilen Strukturen der Arietta-Variationen zeigt Fazil Say, dass er – immerwährende Beethoven-Herausforderung – textgetreu und emotional zugleich zu gestalten vermag.
Rainer Klaas