Vítězslav Novák

Piano Concerto/ At Dusk/ Toman and the Wood Nymph

Jan Bartoš (Klavier), Prague Radio Symphony Orchestra, Ltg. Jakub Hrůša

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Supraphon
erschienen in: das Orchester 02/2021 , Seite 68

Er war Schüler von Dvořák und leitete später selbst eine Meisterklasse am Prager Konservatorium. Sein impressionistisches Tongemälde Von der ewigen Sehnsucht machte ihn 1905 berühmt. Mit seiner Sinfonischen Dichtung In der Tatra schuf er 1902 das alpine Pendant zu Smetanas Moldau. Mit Toman und die Waldfee fand er 1907, dreißig Jahre nach Fibichs gleichnamigem Werk, Anschluss an Debussy und Strauss. Gemeimsam mit Janáček, Foerster, Suk und Ostrčil zählte Vítězslav Novák zu jenen Komponisten, die dem Dreigestirn Bedřich Smetana, Antonín Dvořák und Zdeněk Fibich nachfolgten und die auch als Pädagogen und Interpreten, als Theoretiker und Essayisten Neues und oft Zukunftweisendes hervorgebracht haben.
Geboren wurde Novák am 5. Dezember 1870 in Kamenice nad Lipou, gestorben ist er am 18. Juli 1949 in Skuteč. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er im Süden Böhmens, 1889 ging er nach Prag, wo er Jura, Philosophie, Klavier und Musiktheorie studierte und wo ihn Dvořáks Persönlichkeit in Bann zog. Novák war Lehrer vieler namhafter Komponisten, und als Schöpfer von Sinfonien und Orchesterwerken, Opern und Kantaten, von Chören, Liedern, Klavierstücken und Kammermusik hat er das Musikleben enorm bereichert und geprägt.
Das Klavierkonzert e-Moll aber, sein erstes großes Werk, sah er als Missgeburt an; er empfand Widerwillen gegen das Stück und wollte es nicht spielen. Erst 1905, zwanzig Jahre später, kam die Uraufführung zustande – durch seine Schwägerin Anna Prašková und die Tschechische Philharmonie. Und der Komponist hatte Erfolg: Musik voller Pathos, Energie und Brillanz, bei der Brahms, Grieg und Dvořák Pate gestanden haben und bei der Novák traumhaft schöne lyrische Stimmungsbilder gelungen sind.
Feinen Klangzauber verbreitet auch der Klavierzyklus In der Dämmerung (1896). Angeregt durch Verse des Dichters Josef Svatopluk Machar und von amourösen Avancen nimmt er vorweg, was Toman und die Waldfee ins Exzessive steigert. Inspirationsquellen dafür sind die Ballade Celkakovskys und das Gedicht Die Trauer des Satans von Antonín Sova, die Lektüre Strindbergs und die Musik von Strauss. Die Legende von Toman, der liebeskrank durch die Johannisnacht reitet, den Reizen der Waldfee erliegt und im Rausch der Sinne seine Seele aushaucht, wird mittels galoppierender Rhythmen, irrlichternder Farben, einer mährischen Liedweise und dem ekstatischen Schlusstanz raffiniert erzählt. Doch die tonmalerischen Effekte und wollüstigen Affekte der Musik sind vor allem Darstellungen von Nováks eigenen erotischen Obsessionen und „der dämonischen Macht des Weibes über den Mann“. Seine „tschechische Salome“ hat den Zeitgeist getroffen und die westliche Moderne eingeholt.
Nun ist dank der Interpreten und des Labels diese CD mit ihren exzellenten Neueinspielungen und brillanten Tonaufnahmen zur schönen Würdigung von Nováks 150. Geburtstag geworden. Und sie beeindruckt ungemein!
Eberhard Kneipel