Barry, Gerald

Piano Concerto

Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 12/2014 , Seite 71

Gerald Barry wurde 1952 im irischen Clare Hill geboren. Er komponierte schon mehrfach für Orchester, u.a. Wiener Blut (2000), Day (2005), The Conquest of Ireland (1998) und mittlerweile zudem fünf Opern, darunter den Einakter La Plus Forte (2007) für Sopran und Orchester sowie The Importance of Being (2010) nach einem Text von Oscar Wilde.
Das Klavierkonzert ist ein Auftragswerk der Musica Viva und des City of Birmingham Symphony Orchestra und wurde am 15. November 2013 von dem in Neuer Musik sehr erfahrenen Pianisten Nicolas Hodges gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Leitung von Peter Rundel im Herkulessaal in München uraufgeführt. Die vorliegende Studienpartitur gibt einen guten Einblick in das durchkomponierte, etwa 22 Minuten dauernde Werk.
Die Orchesterbesetzung ist traditionell, mit drei Schlagzeugern, aber ohne Harfe, dafür mit einem zusätzlichen Orchesterklavier, welches das Soloklavier besonders bei perkussiven Passagen unterstützt. Klangverfremdende Spieltechniken werden nicht eingesetzt. Die verschiedenen Zeitmaße sind ausschließlich mit Metronomangaben notiert, wobei die schnelleren (zwischen 104 und 178) überwiegen. Bis auf die drei Angaben very aggressive, hushed und storm gibt es keine weiteren Charakterangaben. Zahlreiche Taktwechsel prägen die tänzerischen und rhythmisch prägnanten Bewegungsabläufe des Klavierkonzerts.
Gerald Barrys Klangsprache ist angereichert mit zahlreichen polystilistischen Anspielungen, die auch Parodistisches beinhalten. Ständig klingt es so, als ob ein Volkslied oder ein Tanz parodiert wäre, der dann aber eigene rhythmische und harmonische Wege geht. Wenn sich rabiate Clustereinwürfe mit einer A-Dur-Tonleiter in aufwärts gehender Terzbewegung im Soloklavier abwechseln oder sich in den Takten 408, 422 und 436 die Passagen exakt wiederholen, ist ein gewisser irischer Humor des Komponisten unverkennbar. Barry, der u.a. bei Stockhausen, Cerha und Kagel studiert hat, beherrscht diese Art der subtilen parodistischen Andeutung und überrascht zudem mit einer Klangsprache, die weder Dissonanzen von diamantener Schärfe noch tonale Reminiszenzen meidet.
Der Part des Soloklaviers ist in seinem rhythmisch-perkussiven Bewegungsdrang manchmal quasi cembaloartig gestaltet: Der Akkordsatz und die vorherrschende Linearität ermöglichen dem Spieler selten die Benutzung des Klangpedals. Da das Klavier oft alleine spielt oder kammermusikalisch, z.B. mit zwei Trompeten, zwei Hörnern oder nur mit den Streichern, ist es immer gut hörbar und wird nicht vom Orchesterklang zugedeckt. Dieses kann sich in den lebhaften Tutti-Passagen und weiteren raf-
finiert instrumentierten Zwischenspielen zur Genüge ausleben.
Die Satzstruktur wird im Verlauf des Klavierkonzerts immer dichter. Nach einigen kraftvollen Ausbrüchen, unterstützt durch zwei Windmaschinen, dünnt sich der Satz in einem großen Diminuendo aus und es bleiben am Ende nur noch die Sextbewegungen der Klarinetten, die Quartbewegungen der Hörner und die mit Generalpausen unterbrochenen Quintbewegungen des Soloklaviers übrig.
Christoph J. Keller