Susanne Schlusnus
Physioboe – Physiologisches Oboenspiel
Ein ganzheitliches Konzept für Oboe
Zunächst macht der Name stutzig. Richtig, der Nachname Schlusnus gehörte doch einst zum weltberühmten Bariton Heinrich. Er ist der Urgroßonkel von Susanne, die sich ganz der Oboe verschrieben und nun ein bemerkenswertes Buch vorgelegt hat. Es geht um das ganzheitliche Lernen dieses schwierig zu spielenden Holzblasinstruments. Bereits 2015 sollte es veröffentlicht werden, doch wegen der „Komplexität der Materie und der täglich neuen Erkenntnisse“, so die Autorin, brauchte sie noch einige Jahre Zeit.
Schlusnus ist aber nicht nur Oboistin, sondern auch Physiotherapeutin, hat die Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Psychotherapie erworben und entwickelte daraus ein „ganzheitliches Konzept“ mit dem Namen Physioboe. Darunter ist ein neues und unkonventionelles Konzept zu verstehen, welches die Physiotherapie auf die Spezifik der Oboe überträgt. Es soll einen Weg bieten, „Körper, Geist und Seele auf stimmige Art und Weise mit der Oboe zu verbinden“, womit sich gleichzeitig neue Horizonte und Sichtweisen eröffnen würden.
Drei Teile erwarten den interessierten Oboisten: Im allgemeinen Teil wird die Oboe aus Sicht der Musikermedizin beleuchtet, beispielsweise welche Belastungen aus dem Musizieren erwachsen können. Dabei fließt auch die Geschichte mit ein, wie man sich früher einem Drill unterwarf. Ausgehend vom Klavierspiel im 19. Jahrhundert wurden bereits vereinzelt Konzepte entworfen und teils umgesetzt, die schon damals von ganzheitlichen Standpunkten ausgingen und womit man ein Stück Freiheit in der Interpretation erlangen wollte. Es baute auf einem Verständnis auf, wie Körper, Intellekt und Emotionen beim Erlernen des Instruments und beim Musizieren zusammenwirken.
Bevor es aber zum spezifischen Teil mit „Physiologisch-energetische[n] Grundlagen“ und insgesamt zehn Kapiteln zu „Oboistisch-musikalische[n] Aspekte[n]“ weitergeht, werden noch die „‚Körperthemen‘ in der Oboendidaktik“ mit Atmung, Zunge und Artikulation behandelt. Ferner werden verschiedene Übe-Begrifflichkeiten und Termini erläutert. So klänge beispielsweise das Wort „Technik“ nach Maschine. Dagegen verstünde es die Autorin so: „Wenn ich Organik übe, übe ich, was ich bin, ein Organismus“. Angesprochen wird zudem das einst „geistlose“ Etüdenspiel bis hin zum „Faktor Rohr“.
Im Hauptteil geht es dann um die speziellen Probleme und um Bekanntes im neuen Licht wie Haltung, Finger, Daumen, Atmung, Stütze, Klang usw., wobei jeder Ton ein eigenes Gefühl habe: Nur wenn der Klang frei sei, würde er stets gut klingen und gut intonieren. Das Herzstück des Buchs ist das Kapitel „Physioboe oder ‚Zen in der Kunst des Oboespiels‘“, was Einswerden mit dem Instrument bedeutet und was „das Musizieren zu einem kontemplativen Akt werden lässt“. Ein Coaching-Kapitel schließt das Lernbuch ab, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass diesem bald ein Praxisbuch folgen wird, wo manches nochmals bildlich veranschaulicht werden soll.
Werner Bodendorff