Ludomir Różycki, Peter Tschaikowsky

Phoenix Concerto for Violin and Orchestra op. 70, Concerto for Violin and Orchestra op. 35

Janusz Wawrowski (Violine), Royal Philharmonic Orchestra, Ltg. Grzegorz Nowak

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Warner Classics 0190295191702
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 84

Ein romantischer Repertoire-Hit und eine hinreißende Rarität im Doppelpack – es ist ein außergewöhnliches Projekt, mit dem der polnische Violinvirtuose Janusz Wawrowski in seinem neuem Album brilliert: Musik aus und in höchst unterschiedlichen Krisenzeiten, auf die diese beiden Konzerte und auch das Konzept des Interpreten reagieren. Ob es das Ehedebakel Tschaikowskys gewesen ist oder das Inferno des Warschauer Aufstands, bei dem auch Różyckis Hab und Gut in Flammen aufging, oder ob nun die Pandemie den Geiger zur Reflektion und zum künstlerischen Handeln gedrängt hat – immer sind es Klangwelten voller Lebensbejahung und Schönheit, die aus solchen Schicksalsmomenten erwachsen und ihnen widerstehen.
Dafür wird die faszinierende Begegnung mit dem Violinkonzert op. 70 von Ludomir Różycki, die wir dem Geiger zu verdanken haben, geradezu zum Symbol: Er hat es vor und in langen Jahren aus den Überresten der Zerstörung, aus Fragmenten und Skizzen rekonstruiert, zu neuem Leben erweckt und für das Repertoire gerettet: „Dieses wunderbare Werk sprach mich sofort an… Wie ein Phönix aus der Asche sollte es wiedergeboren werden und vom Publikum in aller Welt genossen werden. Für mich ist das Konzert voll von der Energie und dem Leben Warschaus vor dem Krieg.“
Ludomir Różycki, der in Warschau bei Zygmunt Noskowski und in Berlin bei Engelbert Humperdinck Komposition studiert hat und danach – wie Grzegorz Fitelberg und Mieczysław Karłowicz – der progressiven Gruppe Junges Polen in der Musik beigetreten war, hatte schon 1903, als 20-Jähriger, mit seinem Opus 1 ein Meisterwerk geschaffen: das sinfonische Scherzo Stánzyk. Diesem musikalischen Porträt eines Hofnarren schloss sich dann eine ganze Serie ähnlicher Tondichtungen an, und mit seinem Ballett Pan Twardowski, einer Adaption der Faust-Legende, wurde der Komponist 1921 international berühmt. Doch bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber der westlichen Moderne hielt Różycki in seinem umfangreichen und vielfältigen Schaffen stets an einer klar geformten und eingängigen, von liedhafter und tänzerischer Folklore geprägten Tonsprache fest, wie sie sich auch im Violinkonzert voller Leuchtkraft und Leichtigkeit entfaltet.
Da wird Wawrowskis Stradivari Polonia aus dem Jahr 1685 zur strahlenden Primadonna inmitten eines opulenten, doch gleichwohl filigranen Orchesterklangs mit vielen exzellenten Solopartien. Sie singt in lichten Höhen, verführt mit lyrischem Wohllaut, tänzelt scherzhaft-kapriziös und überwältigt durch technische Brillanz und rasantes Spiel.
Und auch dank der ausgezeichneten Balance, die Grzegorz Nowak präzise und inspiriert zwischen der Geige und dem Orchester herzustellen vermag, avancieren die fulminante Aufnahme und das attraktive Album zu einem ungewöhnlich beeindruckenden Highlight!
Eberhard Kneipel