Haydn, Joseph

Philemon & Baucis

Jupiters Reise auf die Erde

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günther Hänssler PH09038
erschienen in: das Orchester 01/2010 , Seite 75

Auch wenn die Opern Joseph Haydns bis heute immer noch im Schatten der Instrumentalwerke und Oratorien stehen, sind sie wenigstens für die Nachwelt erhalten geblieben. Anders verhält es sich mit den Marionettenopern, die weitestgehend verschollen oder nur fragmentarisch überliefert sind. Ein Grund hierfür mag sein, dass Fürst und Komponist den Werken eine weniger große Bedeutung zuerkannten. Zumindest kann man feststellen, dass die überlieferten Arien tendenziell weniger kunstvoll gearbeitet und in der Faktur einfacher gestaltet sind, was sie aber nicht weniger musikalisch reizvoll macht.
Die Salzburger Hofmusik unter der Leitung von Wolfgang Brunner hat nun das Fragment zum Marionettenspiel “Philemon und Baucis” mit dem dazugehörigen Vorspiel Der Götterrat neu eingespielt. Die Instrumentalstücke wie die Sinfonia und die das Marionettenspiel Philemon und Baucis eröffnende Ouvertüre sind Beispiele dafür, wie Haydn seine sinfonische Musik und Theatermusik auf die Puppenoper übertrug. Die musikalische Verwandtschaft zu manchen seiner Sturm-und-Drang-Sinfonien ist unüberhörbar. Ebenso ausdrucksstark erklingt eine Gewittermusik, wie diese schon in der Barockoper Verwendung fand. Die Salzburger Hofmusik zeigt gerade hier ihre interpretatorischen Qualitäten: Sie entfacht einen musikalischen Sturm, akzentuiert scharf und kostet die musikalische Tondichtung energetisch aus. Ihr geht es nicht um das – in diesem Falle sicherlich vergebliche – Vorführen feingeistiger oder hintersinnig ironischer Formprozesse; die Konzentration liegt ganz und gar in der effektvollen Lautmalerei und im kontrastreichen Spiel zwischen dramatischen Impulsen und lyrischen Momenten. Und in dieser Form birgt die Musik einige Qualitäten in sich.
Weniger überzeugend sind hingegen die vokalen Abschnitte: Während die zwei Chorstücke ambitioniert ausgeführt werden, ist ein Großteil der Arien eher spannungsarm. Es zeigt sich, wie schwierig es ist, die singspielartige Einfachheit musikalisch interessant zu gestalten. Das hängt manchmal auch mit den Solisten zusammen. Gerade der scharfe Mezzosopran von Nathalie-Maria Vinzent, der sehr eindimensional geführt ist, fällt hier besonders ins Gewicht. Die anderen Solisten, wobei Ulrike Hofbauer namentlich hervorzuheben ist, die es trotz des geringen musikalischen Materials bestens versteht, der Rolle einen Charakter zu verleihen, schneiden weit besser ab. Dennoch: Im Gegensatz zu den Instrumentalteilen wirkt die Wiedergabe ein wenig blutlos. Und wenn sich dann noch einige kleine Unsauberkeiten einschleichen, dann belegt dies zusammengenommen, dass die Musiker die Marionettenoper Haydns anscheinend nicht ganz ernst genommen haben. Schade, denn das Potenzial haben sie.
Klemens Fiebach