Robert Schumann
Phantasiestücke für Klaviertrio op. 88
hg. von Ernst Herttrich, Urtext, Partitur und Stimmen
Robert Schumanns vier Phantasiestücke für Klaviertrio haben eine recht langwierige Entstehungsgeschichte: Bereits im Dezember 1842 begann der Komponist mit der Arbeit an diesem Werk, aber nach mehreren Unterbrechungen, Revisionen sowie einem Verlagswechsel von Peters zu Kistner in Leipzig erschien es erst 1850 als Opus 88 im Druck.
Gegenüber den drei „offiziellen“ Klaviertrios opp. 63 (1847), 80 (1849) und 110 (1851), die jeweils gattungsgemäß etwa eine halbe Stunde dauern, haben die Phantasiestücke einen leichteren, suitenhaften Charakter und lassen sich mit nur 20 Minuten Länge auch einfacher in manches Kammermusikprogramm einbauen – abgesehen von der Möglichkeit, guten Gewissens auch einzelne Sätze, zum Beispiel als Zugabe, zu präsentieren.
Die ersten drei Sätze – Romanze a-Moll, Humoreske F-Dur und Duett d-Moll – wahren einen ausgesprochen intimen kammermusikalischen Charakter ohne große konzertante Allüre, was sich vor allem im klanglich zurückhaltenden Klaviersatz äußert, der Violine und Violoncello großen Spielraum zu eigener Entfaltung bietet. Gerade in seiner Schlichtheit besonders anrührend ist dabei das elegische „Duett“ – Duett bezogen auf das imitierend sich steigernde Wechselspiel beider Streicher bei sanft arpeggierender Klavierbegleitung. Der finale Marsch-Satz in a-Moll, wohl später als die anderen drei Sätze entstanden, schließt einerseits den tonalen Zyklus, legt andererseits aber einen deutlichen Schwerpunkt aufs Klavier, das mit kompakter Akkordik, staccatierten Doppelgriffgängen und straffen Sechzehntelläufen die Initiative weitgehend an sich reißt.
Eine Frühfassung dieses Finalsatzes, um fast die Hälfte länger (282 gegenüber 198 Takte), ist in der vorliegenden, vom langjährigen Henle-Lektor Ernst Herttrich redigierten und mit ausführlichem Textkommentar versehenen Urtextausgabe dankenswerterweise als Anhang abgedruckt. Diese längere Version mag vor allem als einzeln gespielter Satz seine konzertante Wirkung nicht verfehlen, im Zusammenhang mit den konzis gefassten ersten drei Phantasiestücken bekommt er möglicherweise ein zu starkes Gewicht – Schumann hat sich offenbar mit gutem Grund am Ende für die Veröffentlichung der kürzeren Fassung entschieden.
Das Druckbild dieser jetzt veröffentlichten Einzelausgabe aus dem bereits 2012 bei Henle erschienenen Gesamtband der Werke für Klaviertrio Robert Schumanns weist die gewohnte Henle’sche Übersichtlichkeit auf; die Wendestellen sind in Klavierpartitur wie Streicherstimmen gut disponiert, und auch die Klavier-Fingersätze – sonst bei Henle oft ein wunder Punkt – lagen bei dem 2020 verstorbenen Münchner Konzertpianisten Klaus Schilde in guten Händen.
Rainer Klaas