Peter I. Tschaikowsky

Pezzo Capriccioso op. 62

für Violoncello solo und Orchester, Klavierauszug, hg. von Wolfgang Birtel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ponticello
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 61

Neben den bekannten Rokoko-Variationen A-Dur op. 33 hat Peter Tschaikowsky ein weiteres solistisches Werk für Violoncello verfasst: das hier vorliegende Pezzo capriccioso op. 62 in h-Moll. Die Idee zur Komposition entwickelte Tschaikowsky im August 1887 in Aachen, während er einen kranken Freund besuchte. Fertiggestellt hat er das Stück dann einen Monat später in St. Petersburg. Dabei entstanden zwei Fassungen: eine für Violoncello und Orchester sowie eine zweite für Violoncello und Klavier. Gewidmet ist das Pezzo capriccioso dem Cellisten Anatoliy A. Brandukov, der die Komposition gemeinsam mit Tschaikowsky am Klavier 1888 in Paris im Salon der Sängerin Maria Benardaki uraufführte. Ein Jahr später war Brandukov auch der Solist bei der Erstaufführung der Orchesterversion.
Das etwa siebenminütige Stück stellt das Soloinstrument in den Mittelpunkt. Klavier oder Orchester übernehmen hauptsächlich unterstützende Funktionen, tragen aber an einigen Stellen beispielsweise durch Überleitungen entscheidend zur musikalischen Entwicklung bei. Die Komposition wechselt dabei zwischen verschiedenen Charakteren und bietet dem Cellisten so die Möglichkeit, sein instrumentales Können in unterschiedlichen Facetten zu präsentieren.
Die Einleitung beginnt im Fortissimo und erfordert einen großen, majestätischen Ton. Daraus entspinnt sich eine wehmütige, eingängige Melodie. Hier sind eine warme innige Tongebung und die variable Gestaltung von Dynamik und Klangfarben gefragt. Immer wieder wird die musikalische Linienführung von „kadenzartigen“ Triolenfigurationen durchbrochen. Im Mittelteil stellen die rasend schnellen Spiccato-Passagen, die den Tonumfang des Instruments bis in die höchsten Lagen ausreizen, den Cellisten vor eine technische Herausforderung. Der virtuose Part mit seiner Wendung nach Dur führt schließlich zurück in die cantable und melancholische Anfangsstimmung, ehe das Stück nach einer kurzen Schlussphase, in der die Spiccato-Passagen wieder aufblitzen, abrupt endet.
Wolfgang Birtels Ausgabe des Pezzo capriccioso richtet sich nach dem Klavierauszug der Alten Tschaikowsky-Gesamtausgabe. Sie greift die dort von Tschaikowsky selbst handschriftlich eingetragenen zwei Varianten der Cellostimme ebenso auf wie die Änderungsvorschläge des Widmungsträgers Brandukov. So ermöglicht der Herausgeber dem Interpreten Zugriff auf alle gängigen Versionen der Komposition. Leider ergibt sich dadurch ein Nachtteil: Aufgrund des großen Druckbildes und der verschiedenen Varianten ist die Cellostimme mit sieben Seiten Notentext spieltechnisch nicht so gut zu handhaben.
Anna Catharina Nimczik