Jean Françaix

Petit quatuor

bearb. für Bläserquartett/Bläseroktett von Sebastian Manz (2015) nach der Originalfassung für Saxophone (1935), Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 11/2018 , Seite 65

Der französische Komponist Jean Françaix (1912-1997) ist bekannt für seine originelle, an der Tradition ausgerichtete, kunstvoll leichte Schreibweise, die gewürzt mit Chromatik, diffiziler Rhythmik, markanter Motivik sowie instrumentatorischer Raffinesse einen eigenen Stil ausgeprägt hat. In einer Vielzahl von Kompositionen zeigt sich Françaix’ Vorliebe für die Blasinstrumente. Aus seiner frühen Schaffenszeit stammt das dreisätzige Saxofonquartett Petit quatuor, das der Klarinettist Sebastian Manz gleich in zweifacher Fassung bearbeitet hat: einmal für ein Bläserquartett in der Besetzung Oboe, Klarinette, Horn und Fagott und dann für ein klassisches Bläseroktett mit der paarweisen Besetzung von Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten.
Der erste Satz des Petit quatuor trägt den Titel „Gaguenardise“; dies ist wohl eine eigene Wortschöpfung, die sich auf das Wort „goguenardise“ bezieht, was so viel wie Scherzlied/Spottlied bedeutet, und vielleicht noch das Englische „gag“ assoziiert. In schöner Achttaktigkeit wird darin im Wechselspiel der Instrumente und mit harmonischer Verfremdung ein Thema variantenreich präsentiert. Charakteristisch sind Tonrepetitionen, die Staccato-Artikulation und abrupte Dynamikwechsel. Der folgende Satz „Cantilène“ ist auf drei Stimmen reduziert und lässt über einem achttaktigen Bassgerüst einen schlichten Gesang erklingen, während im letzten Satz, einer „Sérénade comique“, das rhythmische Element dominiert.
Die Fassung für vier Bläser ist eine einfache Übertragung der Saxofonpartitur auf die vier verschiedenen Instrumente. Die Bearbeitung gewinnt an Klangfarbe und verdeutlicht die Einzelstimmen im Gegensatz zum stark verschmelzenden Klang des Saxofonquartetts. Im dreistimmigen zweiten Satz wird auf die Oboe verzichtet.
Die Oktettfassung verlangt einige weitergehende Eingriffe des Bearbeiters. Die Verdopplung der Stimmenzahl wird dabei einerseits durch die bekannten instrumentatorischen Tricks wie z.B. Terzverdopplung oder Oktavierung erreicht, andererseits nimmt sich Manz die Freiheit, durch Hinzufügung von Akkordtönen und Einfügung von einigen kurzen virtuosen Spielfiguren im letzten Satz die Komposition anzureichern. Dass Manz aber den Schlusston des letzten Satzes von der – überraschenden – unbetonten dritten Zählzeit auf die nachfolgende erste Zählzeit verlagert, ist kein plausibler Eingriff in die Vorlage.
Durch die Vergrößerung des Klangapparats legt die spritzige Musik Françaix’ etwas an Gewicht zu, sie wird aber auch farbiger. Auch hier verzichtet Manz im Mittelsatz auf die Oboen. Um den Esprit der Musik zu erhalten, müssen die Interpreten der Oktettfassung alle Nuancen der Dynamik vom dreifachen Piano bis zum dreifachen Forte genauestens beachten.
Die Beliebtheit dieser kurzweiligen Musik belegt eine weitere Bearbeitung des Petit quatuor für zwei Klarinetten, Bassetthorn und Bassklarinette, die ebenfalls bei Schott erschienen ist.
Heribert Haase