Redepenning, Dorothea
Peter Tschaikowsky
Das Leben und Werk Peter Tschaikowskys erscheint uns vielfach wie eine einzige Symphonie Pathétique. Als ein Geflecht aus Eros, Kunst, Leidenschaft und der ständigen Flucht dieses Menschen vor sich selbst, so, wie sie vor 80 Jahren von Klaus Mann in einen berauschenden Roman gegossen wurde. Die Homosexualität: im Geheimen ausgelebt. Die erzwungene Ehe: endet zwangsläufig in einer Katastrophe. Dazu Zusammenbrüche, Selbstmordgedanken sowie eine platonische Liebesbeziehung, die beispiellos ist in der Musikgeschichte. Und mitten in den bittersten Zeiten seines Lebens entwickelt Tschaikowsky dennoch eine schöpferische Kraft, die herausragende Werke entstehen ließ: russisch gefärbt und tief romantisch durchtränkt.
Die große Lebens-Dramatik taugte auch vielen anderen Autoren, ob Journalisten, Künstlern oder gar Wissenschaftlern zu vermeintlich skandalträchtigen Enthüllungen und einem aufreizenden Legendengeflecht. Vieles wurde geschrieben, doch oft wenig Sachliches. Als einer der Wenigen hatte dem Alexander Poznansky mit seinem 1998 erschienenen Buch Tschaikowskys Tod (Atlantis Schott) mit der Aufbereitung von zuvor unbekannten oder nur teilweise wiedergegebenen Quellen einen Kontrapunkt gesetzt. Nun legt Dorothea Redepenning mit ihrer Biografie und Werkbeschreibung sachlich nach. Vielfach bezieht sie sich dabei auf Poznanskys Revision einer Legende.
Vor allem streicht Redepenning dabei, und das ist ihr großer Verdienst, die Stellung Tschaikowskys als russischer Komponist heraus. Er war der erste, der im eigenen Land ein reguläres Kompositionsstudium abschließen konnte, der Werke für alle musikalischen Gattungen schrieb, der als Hochschullehrer ganze Generationen von Musikern prägte, der maßgeblichen Einfluss auf das Musikleben in Russland nahm auch in der Auseinandersetzung mit dem Mächtigen Häuflein mit Balakirew, Borodin, Cui, Mussorgsky und Rimskij-Korsakow.
So wird sie insbesondere dem Künstler Tschaikowsky gerecht, unterstützt durch die knappen und klaren Analysen der wichtigsten Kompositionen. Dem Menschen Tschaikowsky begegnet sie mit wohltuender Zurückhaltung, ja Nüchternheit insbesondere, wenn es um die Liebschaften Tschaikowskys geht wie die zu dem deutschen Studenten Eduard Sack. Das wird wohltuend unaufgeregt dargelegt. Nur ein einziger Fauxpas unterläuft Redepenning: Internat und Monoedukation werden seinen homoerotischen Neigungen förderlich gewesen sein. Ein Satz, der ungute Erinnerungen an alte Lehrmeinungen wachruft, als würde Homosexualität anerzogen, als müsse man sie entschuldigen. Insgesamt gerät Redepenning aber nie in Gefahr, in den meist jeweils nach biografischen Details und Werkbeschreibung getrennten Kapiteln das uvre in ein zu romantisch verbrämtes Licht zu tauchen und damit subjektiv zu beleuchten.
Der Staatskomponist (wo hat man schon einmal diese Bezeichnung für Tschaikowsky gelesen?) wird fassbar, ganz ohne Pathos und Dramatik. Das ist wissend und gut strukturiert zusammengestellt und absolut lesenswert.
Christoph Ludewig