Georg Katzer

Percussum

for percussion quartet, 4 Partituren

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Gravis, Brühl 2021
erschienen in: das Orchester 10/2021 , Seite 74

Konzerte von Schlagzeugensembles sind logistische Meisterwerke, bei denen Wagenladungen an Stabspielen, Trommeln, Becken, Gongs und Stativen bewegt werden. Am Konzertort erfolgt der millimetergenaue Aufbau der Instrumente, angereichert mit Notenständern und Schlägelablagen. Weil die Installationen aber zwischen den Stücken variieren, muss in der Regel während des Konzerts mehrfach umgebaut werden: hier ein paar Trommeln umstellen, dort ein Vibrafon an eine andere Position schieben – und nicht vergessen, die Triangel an die Kollegin weiterzugeben. Alle diese kleinen Eingriffe brauchen Zeit und der Spannungsbogen des Konzerts geht mitunter verloren.
Diesem häufigen Missstand will der Schlagzeuger Olaf Tzschoppe – gemeinsam mit seinem Bremer Schlagzeugensemble, das er mit Studierenden und Alumni seiner Klasse an der Musikhochschule Bremen besetzt hat – abhelfen. Dafür definierte er einen genau festgelegten Instrumentenkanon für die vier Spielstationen des Quartetts und vergab für diese Konstellation Kompositionsaufträge an verschiedene Komponistinnen und Komponisten. Die Auswahl der Instrumente ist wohlüberlegt. Vibra- und Marimbafon sowie Crotales bieten mit ihren bestimmten Tonhöhen harmonisch-melodische Möglichkeiten, viele kleine Effektinstrumente sowie Trommeln und diverse Idiofone eignen sich für die kompositorische Gestaltung von Klängen.
Vier der in diesem Zusammenhang entstandenen Auftragskompositionen sind noch bei der Edition Gravis in Vorbereitung, zwei weitere, sehr sorgfältig und ansprechend gemachte Ausgaben sind bereits erschienen: Klang-Bilder von Zsigmond Szathmáry sowie aktuell das Stück Percussum (2017) von Georg Katzer.
Der im Jahr 2019 verstorbene Georg Katzer war einer der vielseitigsten Komponisten der DDR. Neben Instrumental- und Vokalkompositionen beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit elektronischer Musik. Im Vorwort der Komposition Percussum schwärmt er von den unglaublichen klanglichen Möglichkeiten eines Schlagzeug-Ensembles, von denen er anders als in seinen älteren und sparsamer instrumentierten Schlagzeugstücken hier starken Gebrauch macht. Zwischen extremem Metallgeläut am Anfang und leise pfeifenden Windgeräuschen am Schluss finden sich in der Komposition auf engstem Raum exotische Klangpassagen mit Waldteufeln und Rasseln, geriebene Klänge, kurze rhythmisch perkussive Momente und gamelanverwandte Texturen. Wie in einer Toccata folgt eine musikalische Idee rasch auf die andere. Jede wird nur kurz angedeutet, dann zieht der Komponist mit gutem Timing auch schon weiter. Bereits nach wenigen Minuten verklingt Percussum und im Konzert folgt die nächste Auftragskomposition, die die vorgegebene Materialsituation sicher ganz anders auslotet.
Olaf Tzschoppe hat mit seinem besonderen Ansatz ein schönes und gut funktionierendes Schlagzeugszenario geschaffen. Wie unterschiedlich Komponisten mit ein und demselben Instrumentenpool umgehen, das ist immer anregend und spannend zu hören.
Stephan Froleyks