Dimov, Bojidar

Percussion Rituals

A Work in Progress für zwei Schlagzeuger, Spielpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2017
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 70

Das Ritual ist eine Zentralkategorie im Werk des 1935 in Bulgarien geborenen und 2003 in Köln verstorbenen Komponisten. Neben den nun im Verlag Dohr aus dem Nachlass veröffentlichten Percussion
Rituals aus dem Jahr 1986 schrieb Bojidar Dimov viele weitere Rituale, die er entweder einzelnen Komponisten (von Beethoven bis Strawinsky) oder bestimmten Besetzungen wie Streichquartett und Klarinette widmete. Allen diesen Werken gemein ist ein suchender, neugieriger und experimenteller Gestus, der gepaart ist mit einer äußerst elaborierten Musikalität.
Dimov hatte an den Musikhochschulen in Sofia und Wien (u.a. Komposition bei Hans Jelinek) studiert, bevor er 1968 nach Köln kam. Dort leitete er neben dem von ihm gegründeten Ensemble Trial and
Error über viele Jahre eine Kompositionsklasse an der Rheinischen Musikschule, in der er viele junge Musiker für die zeitgenössische Musik begeisterte. Sein kompositorisches Schaffen umfasst Solo- und Ensemblestücke sowie Werke für Orchester und Musiktheater. Auftragswerke entstanden u.a. für den Steirischen Herbst in Graz und die Wittener Tagen für Neue Kammermusik.
Für seine Percussion Rituals entwickelte Dimov einen kreisförmigen Aufbau mit vielen unterschiedlichen Schlaginstrumenten, in dessen Mitte ein Vibra- und ein Marimbafon platziert sind. Die Partitur des Stücks besteht aus einem einzigen großen Blatt, auf dem die Ritualmodule auf grafisch interessante Art und Weise notiert sind, damit Bezug nehmend auf ein ähnlich symmetrisch aufgebautes Gemälde des Malerfreunds Berthold Kühn.
Einer der beiden Schlagzeuger absolviert innerhalb des Instrumentenkreises mit einem stetig wiederholten Rhythmus einen von links nach rechts pendelnden Ablauf zwischen den verschiedenen Instrumenten, während der andere Spieler relativ frei akkordische Bruchstücke auf den Mallet-Instrumenten spielt. Als drittes Element des Rituals kommt für beide Spieler eine Melodie hinzu, die parallel zum Instrumentalspiel unentwegt und asynchron gesummt wird. In der Verschränkung dieser selbstständigen Elemente (Rhythmus, Harmonie, Melodie) entsteht eine musikalische Struktur, die in ihren Proportionen (z.B. des Goldenen Schnitts) wohlkalkuliert ist, die durch die Einbeziehung des Zufalls in der Mikroebene aber auch Platz für Unvorhergesehenes bietet.
Die für ein Ritual naheliegende relativ lange Dauer des Stücks von ca. 21 Minuten legt eine Aufführungsform nahe, die dem Rechnung trägt: weniger konzertant, eher im Sinn einer Klanginstallation, die vom hörenden und schauenden Publikum in einer spannenden räumlich-akustischen Situation umschritten werden kann. So präsentiert, entfalten Bojidar Dimovs Percussion Rituals in ihrer einzigartigen Kombination aus Archaik und Moderne auch mehr als 30 Jahre nach ihrer Entstehung eine große poetische Kraft.
Stephan Froleyks