Werke von Caplet, Debussy, Schubert und Schumann

Perception

Queens Duo: Verena Beatrix Schulte (Flöte), Hanna Rabe (Harfe)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 74

Für ihre erste CD hatten die seit 2010 zusammenarbeitenden Musikerinnen des Queens Duo 2015 mit der Suite von Hilse, der Sonate von Arnold Bax, der Fantasie von Franz Doppler/Antonio Zamaro und der Sonate von Andy Scott vier relativ unbekannte Originalkompositionen für Flöte und Harfe kombiniert. Wie der Titel The Art of Imagination nahelegt, wurden die Werke nach der Bildhaftigkeit ihrer Klangsprache ausgewählt. Bei der hier vorzustellenden zweiten CD mit dem Titel Perception war der leitende Gedanke für die Musikauswahl, dass „Natur und Ästhetik der Wahrnehmung sowohl in der Romantik als auch im Impressionismus in das Zentrum des künstlerischen Schaffens rücken“, wie es im Booklet heißt.
Zu hören sind zwei romantische Werke, die Drei Romanzen op. 94 von Schumann und die Arpeggione-Sonate von Schubert, bei denen sich durch die Instrumentenwahl die Wahrnehmungsdimension deutlich verändert, sowie zwei impressionistische Kompositionen, nämlich Debussys Prélude à l’aprèsmidi d’un faune sowie mit Rêverie und Petite valse zwei Stücke von Caplet, die mit Harfe statt Klavier fast noch authentischer wirken. Bei den Romanzen wird man den vom Komponisten gewünschten Klang der Oboe nicht vermissen, und die Harfe trifft als Begleitinstrument immer den rechten Ton. In Schuberts Sonate zeichnet die Flötistin die musikalischen Linien dieser für ein Streichinstrument komponierten Sonate durch den Wechsel zwischen bewusster, unauffälliger und fast unhörbarer Atemführung nach, die für den Komponisten typische Bandbreite an melancholisch-emotionalen Stimmungen kommt durch die dynamischen und agogischen Qualität des Zusammenspiels sehr eindrucksvoll zur Geltung. Debussys von der Nachwelt als geradezu prototypisch impressionistisch empfundener Nachmittag eines Fauns wird in der maßgeblichen Einrichtung der amerikanischen Harfenistin Judy Loman gespielt. Die Flöte übernimmt die melodischen Einwürfe von Oboe und Klarinette, die in der Orchesterfassung für Farbwechsel sorgen, während die Harfe einen orchestralen Hintergrund zaubert, in dem man eigentlich nichts vermisst. Genau passend dann der Ausklang mit Caplets Kompositionen, zuerst träumend, dann aus der Realität hinaus tanzend. Unterstützt durch eine die Klang-Räume der beiden Instrumente ein wenig voneinander trennende Disposition, die der Harfe das rechte Maß an Resonanz gibt, gelingt es dem Duo, die Wahrnehmung so subtil auf Details zu lenken, dass die im Grunde doch vertrauten Werke sich neu hören lassen. Ein wesentliches Merkmal der Interpretationen scheint mir die Emotionen, Vorstellungen, Gedanken und vielleicht noch mehr auslösende Art der beiden Spielerinnen zu sein, mit der sie den postulierten imaginativen Zugang erfüllen. Die intensive Art des Duos, Musik zu erleben und darzustellen, um so die Essenz der ausgewählten Kompositionen wahrnehmbar zu machen, führt zu ganz besonderen Hörerlebnissen. Aber davon sollte man sich selbst überzeugen.
Ursula Pešek