Werke von Heinichen, Zelenka, Telemann und anderen

Per l’orchestra di Dresda, Vol. 1 Ouverture

Les Ambassadeurs, La Grande Écurie, Ltg. Alexis Kossenko

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Aparte
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 68

Eine solche Aufnahme mit einem Barockorchester kann vermutlich dieser Tage überhaupt nur in Frankreich entstehen: einem Land, in dem nicht nur herkömmliche Symphonieorchester, sondern auch Formationen auf historischem Instrumentarium, besetzt mit freien Musikern, großzügig subventioniert und somit zu Projekten befähigt werden, die für die meisten Barockorchester in anderen Ländern heute kaum denkbar wären. Und die Investition hat sich gelohnt: Über 40 Musiker, davon beispielsweise 15 Violinen, sechs Oboen, fünf Blockflöten – das ist wahres Schöpfen aus dem Vollen und eine geradezu gigantische Besetzung für ein Barockorchester!
In Klang und Repertoire nachgebildet wird auf dieser CD nämlich das Barockorchester des Dresdner Hofes, das in der Zeit von etwa 1709 bis 1760 viele der renommiertesten Musiker Europas anzog und den meisten Zeitgenossen als das beste seiner Art auf dem Kontinent galt. Und sicherlich war es eines der größten. Entsprechend vereint der französische Traversflötist und Dirigent Alexis Kossenko auf dieser Aufnahme das von ihm 2010 (nicht zuletzt aufgrund seiner Begeisterung für eben das Dresdner Repertoire, den gloriosen Dresdner Stil, wie er ihn bezeichnet) gegründete Ensemble Les Ambassadeurs mit dem Barockorchester La Grande Écurie et la Chambre du Roy, dessen Leitung er seit 2020 ebenfalls inne hat.
Und ja, dieses Repertoire – in diesem Falle weltliche und geistliche Werke von Johann David Heinichen, Jan Dismas Zelenka, Georg Philipp Telemann, Johann Joachim Quantz, Johann Friedrich Fasch und dem langjährigen Dresdner Konzertmeister Johann Georg Pisendel – könnte man natürlich auch in kleinerer Besetzung spielen. Aber, um ehrlich zu sein: Das wäre schade. Denn diesen vollen Klang, diese Opulenz und Herrlichkeit wäre mit kleinerer Besetzung schlicht nicht zu erreichen. Und denkt man an August den Starken und Friedrich August II., die beiden Herrscher, für die das hier eingespielte Repertoire komponiert wurde, kann man sich eine bescheidenere Besetzung auch inhaltlich schwer vorstellen.
Kossenko, der hier mehrfach auch als Flötist erscheint, versteht es trotz der vielen Musiker, immer ein duftig-durchsichtiges, bewegliches und insgesamt ungemein sprechendes Klangbild zu erhalten – das aber ab und an auch durch Wucht und Macht gekennzeichnet ist. Dabei darf sich der Hörer bei aller Pracht und Glorie doch stets exzellenter Intonation erfreuen, und auch hinsichtlich der musikalischen Gestaltung begeistern nicht nur die Instrumentalisten mit Konzertmeister Stefano Rossi, sondern auch die beiden beteiligten Sänger Coline Dutilleul (Sopran) und Stephan MacLeod (Bass) durch durchdachte Spannungsbögen, feine Phrasierung und sprechendste Artikulation.
Wer also einmal genüsslich in barocker Pracht schwelgen möchte, ohne doch auf Delikatesse und Sauberkeit zu verzichten, dem sei diese Aufnahme ans Herz gelegt. Und das Beste zum Schluss: Sie ist nur Volume 1 ihrer Art – man darf sich also auf mehr freuen!
Andrea Braun