Beatrix Borchard, Miriam-Alexandra Wigbers (Hg.)

Pauline Viardot-Garcia – Julius Rietz

Der Briefwechsel 1858-1874

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Olms
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 65

Eine Liebesfreundschaft auf Papier enthüllt der überaus lesenswerte Briefwechsel zwischen der spanischen Mezzosopranistin und Komponistin Pauline Viardot-Garcia (1821-1910) und dem deutschen Dirigenten und Komponisten Julius Rietz (1812-1877). Beide entstammten Musikerfamilien: Viardot-Garcia war die Tochter des Sängerehepaars Manuel Garcia und Maria Joaquina Sitchéz; Julius Rietz war der Sohn des Kammermusikers Johann Friedrich Rietz.
Viardot-Garcia erhielt Klavierunterricht bei Franz Liszt und Kompositionsunterricht bei Anton Reicha, ihr Debüt als Opernsängerin erfolgte am 9. Mai 1839 als Desdemona in Rossinis Otello. Julius Rietz bekam Violoncello-Unterricht bei Moritz Ganz und Bernhard Romberg sowie Kompositionsunterricht bei Carl Friedrich Zelter. In der Zeit ihres Kennenlernens war Rietz Dirigent des Gewandhausorchesters und Kompositionslehrer am Leipziger Konservatorium. Viardot-Garcia war als Opernsängerin international gefragt. Zur ersten Begegnung kam es bei einem Konzert am 11. Februar 1858 in Leipzig.
Die insgesamt 150 Briefe umfassende Freundschaft begann am 22. April 1858 und endete am 7. Juni 1874. Der umfangreiche Briefwechsel bildet das Kernstück des Buchs. Darin treten die Briefpartner in einen privaten Austausch über familiäre und musikalische Themen, der große Einblicke in die Lebensläufe der Künstler gibt und ihre Lebenswege über einen längeren Zeitraum abbildet. Doch die Briefe geben auch neue Aufschlüsse über Musikerkollegen wie Franz Liszt, Julius Stockhausen, Ignaz Moscheles, Ferdinand David und Felix Mendelssohn Bartholdy. Ferner werden Einblicke in die Arbeitsbedingungen einer Sängerin dieser Zeit und damalige Rollenkonzeptionen vermittelt.
Einen großen Themenschwerpunkt bildet auch die Komposition von Rietz’ Oper Georg Neumark und die Gambe (1859). Thematisiert werden außerdem seine Abneigung gegen Franz Liszt und die„Neudeutsche Schule“ sowie Viardot-Garcias Freundschaft mit dem russischen Dichter Iwan Turgenew. Viardot-Garcias universelle Lebensart wird durch ihre teils auf Französisch (eine deutsche Übersetzung ist beigefügt), teils auf Deutsch verfassten Briefe belegt.
Den interessanten Briefwechsel bereichern vier Aufsätze zum Leben der beiden, zu ihrer Liebesfreundschaft und zu musikalischen Themen. Abgerundet wird der informative Band durch ein Vorwort, ein Brief-, Literatur-, Personen-, Abkürzungs- und Werkverzeichnis sowie durch die angewandten Editionsrichtlinien.
Das Buch bildet den ersten Band der neuen Reihe „Viardot-Garcia-Studien“, herausgegeben von der Musikwissenschaftlerin und Musikautorin Beatrix Borchard. Den ersten Band hat sie gemeinsam mit der Sängerin und Musikwissenschaftlerin Miriam-Alexandra Wigbers herausgegeben. Alles in allem ein rundum gelungener, sehr informativer und aufschlussreicher Briefband über eine Musikerfreundschaft des 19. Jahrhunderts.
Claudia Behn